1150 Mariahilfer Gürtel
1868 - 1875
Eine „allerhöchste Entschließung“ Kaiser Ferdinands I. ordnete schon im Jahr 1846 die Errichtung einer Kirche für die neu gegründete Pfarre „Fünfhaus“ an, die damals noch außerhalb des Linienwalls lag. Nachdem die Revolutionsunruhen 1848 die Verwirklichung zunächst verhindert hatten, wurde im Jahr 1857 in der Nähe des Linienwalls ein Bauplatz angekauft, und das Kultusministerium beauftragte den deutschen Architekten Friedrich Schmidt mit der Erstellung von Plänen im gotischen Stil. Schmidt hat sich durch seine Mitarbeit an der Vollendung des Kölner Doms (1842-88) als Gotikspezialist einen Namen gemacht, war später Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien und ist vor allem als Erbauer des Wiener Rathauses bekannt.
Der Architekt plante eine konventionelle dreischiffige Hallenkirche mit Querhaus und einem Turm an der Hauptfassade und sein Entwurf wurde 1858 zur Ausführung bestimmt.
Da jedoch der Lazaristenorden im Jahr 1860 am nahe gelegenen Schottenfeld (Lazaristenkirche Kaiserstraße 7) ihre – ebenfalls von Friedrich Schmidt geplante - Kirche zu bauen begann, wurde der Bau der Fünfhauser Kirche bis auf weiteres verschoben.
Mittlerweile wurde an Stelle des – fortifikatorisch obsolet gewordenen - Linienwalls die neue Gürtelstraße projektiert, die das vorgesehene Grundstück in zwei Teile zerschnitt, sodass für das Kirchenprojekt nur mehr ein stark verkleinerter, trapezförmiger Bauplatz zur Verfügung stand. Daraufhin entwarf Schmidt ein neues Projekt, das nun einen aus Sichtziegel errichteten, achtseitigen Zentralbau mit einem mächtigen Kuppelaufbau vorsah.
Möglicherweise um die Seitenansicht aufzuwerten, die sich nach seinem ursprünglichen Plan den Bewohnern von Fünfhaus als Schauseite zeigen sollte, ist der Baukörper durch Kapellenanbauten rund um den Hauptraum vielteilig gegliedert. Den um den Chor angeordneten niederen Kapellenkranz scheint Schmidt jedenfalls vor allem zur Verstärkung dieser Außenwirkung geplant zu haben. Denn im Inneren sind die Kapellen zum Hauptraum hin abgemauert und sie finden als Sakristei und diverse Nutzräume Verwendung.
Die Hauptfassade ist dem Zentralbau als Zweiturmfassade angefügt und durch die Schrägstellung der Türme optisch verbreitert.
Die vom Ministerium geforderte gotischen Stilwahl bedeutete für den Architekten eine komplexe Herausforderung. Da für die mächtige Kuppel in gotischer Bauweise keine mittelalterlichen Vorbilder zur Verfügung standen, sah er sich nämlich gezwungen, „eines in anderen Bauepochen zur Anwendung gebrachtes System auf die gothische Bauweise“ zu übertragen. Darüber hinaus waren die Fassade und die Kuppel zu einem stilistisch und konstruktiv plausiblen einheitlichen Baukörper zu vereinen und der erforderliche Zugang zur Kuppel herzustellen.
Nachdem Schmidt bei der Planung mehrere Kuppelausführungen „durchprobiert“ und das Ministerium aus „städtebaulichen Gründen“ die Ausrichtung der Fassade zum Gürtel hin fixiert hatte, wurde mit dem Bau 1868 begonnen.
Während bereits gebaut wurde, entschied sich allerdings Schmidt für eine andere Kuppelvariante, die sich seiner Meinung nach als 24-teilige Kuppelkonstruktion dem Stil der Gotik in höherem Maße annähern würde. Das bedeutete, dass nicht nur bereits errichteter Bauteile geändert, sondern auch die Türme, insbesondere die Helme neu geplant werden mussten. In diesem Zusammenhang beschloss Schmidt auch, den Zugang zur Kuppel durch Brücken von den Türmen aus herzustellen. Die Stilzugehörigkeit hat er am Außenbau durch den mannigfaltigen Einsatz von typisch gotischem Vokabular, wie Fialen, Kreuzblumen, Maßwerkfenster etc. augenscheinlich hergestellt.
Der prunkvolle Kircheninnenraum ist nach dem Entwurf von Schmidt mit reichen Fresken und Schablonenmalereien versehen und die tragenden Elemente sind auffallend durch rot-weiße Bänderungen betont.
Mit diesem monumentalen Kuppelbau schuf Schmidt in Wien die wohl bemerkenswerteste neogotische Kirche, die hohes technisches Wissen, aber auch Risikobereitschaft voraussetzte. Als die Kirche fertiggestellt war, soll er verlangt haben, als erster die Kirche zu betreten – bis zuletzt habe er befürchtet, dass die Kuppel einstürzen könnte...
In der zeitgenössischen Rezension stieß die „geniale Konzeption“ des Kirchenbaus und die bis ins Detail harmonisch abgestimmte Gestaltungsweise auf breite Anerkennung.
Die Kirche wurde 2015 der koptisch-orthodoxen Kirchengemeinde geschenkt.