1070 Kaiserstraße 7
1860-1862
1624 gründete der später heiliggesprochene Vinzenz von Paul in Paris einen Missionsorden, der sich die geistliche Betreuung der Armen und Kranken der Stadt und vor allem die „Volksmission“ zur Aufgabe machte, die in Form regelmäßiger Exerzitien erfolgen sollte. Da der Heilige dem Orden keinen Namen gegeben hatte, erhielt er erst nach der Übernahme des Priorats der Kirche St. Lazare die Bezeichnung „Lazaristen“.
Der Wiener Erzbischof Rauscher schätzte die „segensreichen Wirksamkeit“ des Ordens und in Sorge wegen der „auffallenden Unzugänglichkeit“ der Seelsorge in Wien beschloss er, Lazaristen zur „permanenten Volksmission“ nach Wien zu holen.
1855 genehmigte Kaiser Franz Josef die Gründung einer Niederlassung des Ordens, der daraufhin am sogenannten Schottenfeld im 7. Wiener Bezirk ein Grundstück erwarb und 1859 Stadtbaumeister Josef Kunst mit der Erstellung von Plänen für eine Kirche beauftragte. Die Ordensleitung hatte gegen dessen Entwurf „in kirchlicher Beziehung nichts einzuwenden“, von der k.k. Wiener Baukommission wurde er jedoch abgelehnt, da er „in ästhetischer Beziehung den Anforderungen rücksichtlich der Würde eines Gotteshauses“ nicht entsprach.
Daraufhin wurde Friedrich Schmidt, seit 1859 Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien, mit der Planung der Kirche beauftragt und bereits 1860 konnte mit dem Bau begonnen werden.
Friedrich Schmidt hatte als Mitarbeiter bei der Fertigstellung des Kölner Doms (1840) grundlegende Kenntnisse über die gotische Konstruktionsweise gewonnen, die ihn in Österreich, Deutschland und den benachbarten Ländern zu einem der bedeutendsten historistischen Kirchenarchitekten machten. Allein in Wien erbaute er sechs Kirchen, die er stets in neogotischem Stil und in Sichtziegelbauweise plante und damit einen Topos schuf, der auch seinen Schülern zum Vorbild wurde.
Seine Kirchenbautätigkeit ist durch den ständigen Austausch mit seinem Mentor und Freund August Reichensperger gekennzeichnet. Reichensberger war Jurist, setzte sich jedoch intensiv mit der Frage des „richtigen“ Kirchenbaus auseinander und mit der Erstellung umfassende Richtlinien für den Bau von Pfarrkirchen galt er in Wien als wichtige Instanz in der Kirchenbaufrage. Kennzeichnend ist aber auch, dass sich Schmidt immer wieder über Reichensbergers Regeln hinwegsetzte – stets mit der Rechtfertigung, dass die aktuelle Kirchenbautätigkeit neue Ausdrucksweisen erfordere.
Die Lazaristenkirche ist Schmidts erster Kirchenbau in Wien. Er plante einen repräsentativen neogotischen Backsteinbau mit einer dreischiffigen Halle, einem Querhaus und einem polygonalen Chorhaupt. Reichenspergers Rat, bei einer Pfarrkirche keinesfalls eine Zweiturmfassade, sondern höchstens einen Turm vorzusehen, der auch durch einen schlichten Dachreiter ersetzt werden könne, hat Schmidt nur vordergründig befolgt. Denn er hat zwar keinen Fassadenturm, aber statt eines einfachen Dachreiters einen imposanten, 68 Meter hohen Vierungsturm errichtet. Mit vielfältigen gotischen Formelementen aus Haustein, hohen übergiebelten Maßwerkfenstern, Treppentürmchen, abgetreppte Strebepfeiler etc. löste er den gesamten Baukörper vielgliedrig auf und setzte mit dem repräsentativen Kirchenbau und dem signifikanten Turm einen markanten städtebaulichen Akzents in dem neu entstandenen 7. Bezirk.
Im Innenraum bewirkte Schmidt mit Rundpfeilern bzw. Pfeilervorlagen, Spitzbogenarkaden und Kreuzrippengewölbe einen beinahe originalgetreuen gotischen Raumeindruck und die Fenster mit Glasmalereien, die neugotischen Altäre sowie die reiche figürliche Ausstattung fügen sich stimmig ein.
Das Kloster und der Pfarrhof wurden erst 1904 erbaut. In der 1970 eingerichteten Hauskapelle im ersten Stock des Klosters wurde die Altarwand mit Bildern von Anton Lehmden, Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, gestaltet.