1220 Donau-City-Straße 2
1999-2000
Auf einer der Inseln, die die zahlreichen Nebenarme der Donau gebildet hatten, lag die kleine Ansiedlung Kaisermühlen, die vor allem von Betreibern von Schiffmühlen bewohnt wurde. 1850 wurde der Ort der Stadt Wien eingemeindet und Teil des neu entstandenen 2. Bezirks. Nach der 1870 bis 1875 erfolgten Donauregulierung ließen sich die Mühlen nicht mehr betreiben und das Gebiet wurde zum Teil parzelliert und mit Zinshäusern verbaut. In der Zwischenkriegszeit entstanden große Gemeinbauten, während des NS-Regimes wurde Kaisermühlen dem 21. Bezirk zugeschlagen und 1954 schließlich Teil des 22. Bezirks Donaustadt. Im Zuge des Baus der Donauuferautobahn A22 (1972-1982) wurde die Überplattung des Teilbereichs Kaisermühlen beschlossen und 1973–1979 die UNO-City nach den Plänen von Johann Staber errichtet.
Schon bei der Planung des weitläufigen Internationalen Zentrums wurde die Errichtung einer Kirche vorgesehen und der Bauplatz festgelegt, aber erst im Jahr 1997 wurden sechs Architekten zu einem Wettbewerb für einen Kirchenbau geladen.
Der Sieger, Architekt Heinz Tesar, plante einen zweigeschossigen kubischen Baukörper aus Stahlbeton. Das untere Geschoss ist in die Erde versenkt. Es umfasst das Pfarrzentrum mit dem Gemeindesaal und erhält zum Teil durch einen seitlichen Lichthof Tageslicht.
Darüber erhebt sich im starken Kontrast zu den umgebenden Hochhausbauten der eigentliche Kirchenraum als niederer quadratischer Monolith. Die Wände sind mit Chromstahlplatten verkleidet, die durch Säurebehandlung eine fast schwarze Oberfläche erhielten. Zahlreiche runde Lichtöffnungen in der Größe von 60 bzw.12 cm und ein Netz von glänzenden Punkten mindern die hermetische Wirkung des Baukörpers. Ein schlichtes weißes Kreuz an der Eingangsseite kennzeichnet den Bau als Sakralraum.
Der Wettbewerb war unter dem Motto „Der Achte Tag“, als Tag der Auferstehung Christi, ausgeschrieben worden und diese Zahl sollte auch im Planungskonzept sichtbar werden. Dieser Vorgabe entsprach Tesar mit dem Ausschneiden der vier oberen Kubusecken, wodurch ein griechisches Kreuz mit acht Kanten entstand. Diese Symbolik erschließt sich allerding nur in der Draufsicht. Denn im Innenraum sind die Ausschnitte in unterschiedlicher Höhe ausgebildet und im Grundriss nicht erkennbar.
Im Unterschied zu dem mythisch dunklen Außenbau ist der Innenraum mit hellem Birkenholz ausgekleidet und durch die zahlreichen Lichtpunkte und die unterschiedlich verglasten Einschnitt-Ecken wurde eine helle, kontemplative Raumwirkung erzielt.
An der Wand hinter dem Altar ist ein kreisrundes intarsiertes Feld ohne Lichtöffnungen ausgebildet. Ein aus der Mitte gerücktes goldenes Kreuz erhielt im Bereich der imaginären Herzwunde Jesu eine kleine Öffnung, durch die in den Morgenstunden des Weihetags ein Lichtstrahl über die von Tesar gezeichneten Bilder des Kreuzwegs wandert. Das Thema der Herzwunde hat der Architekt auch über dem Altarbereich mit der großen geschwungenen Öffnung an der Decke aufgegriffen.
Der Altar, Tabernakel, Ambo und das Taufbecken wurden vom Sohn des Architekten, Marc Tesar, aus schwarzem Granit mit unterschiedlicher Oberflächenbehandlung hergestellt. Ein niederes Glockengerüst mit drei kleinen Glocken ersetzt einen Kirchturm.
Das Konzept, durch unterschiedlich große, verglaste Fensteröffnungen eine spezielle Raumwirkung zu erzielen, hat 1950 Le Corbusier bei der Kapelle Notre Dame du Haut von Ronchamp eindrucksvoll vorgeführt. Möglicherweise hat sich Tesar bei seinen Planungen von dieser berühmt gewordenen Kapelle inspirieren lassen. Bemerkenswert ist, dass er auch bei der 1994-1995 errichteten Evangelischen Kirche in Klosterneuburg ein außergewöhnliches Lichtkonzept verwirklicht hat.