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Aktuelle Seite: 23., Ottillingerplatz Wotrubakirche
WS-23.9
23. Bezirk - Liesing

Entwurf:

Fritz Wotruba

Ausführung:

Fritz Gerhard Mayr

1974-1976

Die Entstehung der Wotrubakirche verdankt sich der privaten Initiative von Margarethe Ottilinger (1919-1992). Ottilinger war Beamtin des Ministeriums für Vermögenssicherung und wurde 1948 von der sowjetischen Besatzungsmacht wegen angeblicher Spionage zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt. 1955 wurde sie schwer krank aus der Haft entlassen und ein Jahr später von der sowjetischen Justiz rehabilitiert. Im gleichen Jahr wurde sie als Vorstandsdirektorin der ÖMV tätig.

Ottilinger war tiefgläubig und „um dem Geist des Unglaubens zu widerstehen“ beschloss sie, für den Orden der Karmeliterinnen die Errichtung einer Kirche mit „Karmel“ (Kloster) in ihrem Wohnort Steinbach bei Wien zu initiieren.

Um ihr Vorhaben zu verwirklichen, gründete Ottilinger im Jahr 1965 einen Verein, dem höchste Vertreter der Politik, der Kirche und auch bedeutende Persönlichkeiten der Wirtschaft als Mitglieder beitraten. Bundeskanzler Dr. Josef Klaus, Kardinal Franz König und Manfred Mautner-Markhof waren ebenso Förderer dieses Projekts wie der spätere Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky.

Kardinal König stiftete in Steinbach ein Grundstück, und auf Vorschlag von Prälat Dr. Unger von der Caritas Wien wurde überraschenderweise der international bekannte Bildhauer Fritz Wotruba mit dem Entwurf des Kloster- und Kirchenprojektes betraut. Obwohl Wotruba, wie er selbst betont, kein konfessioneller Katholik war, faszinierte ihn diese Bauaufgabe: „Die einfachste Form, das gängige Material, Beton, Stahl, gewöhnliches, nicht gefärbtes Glas“, das seien die Elemente, aus denen diese Kirche gebaut werden müsse. Und in Hinsicht auf den Karmeliterorden meinte er, dass er etwas gestalten werde, „das zeigt, dass Armut nicht hässlich sein muss, dass Entsagen in einer Umgebung sein kann, die trotz größter Einfachheit schön ist und auch glücklich macht.“

In immer wieder neuen Gipsmodellen versuchte er die Grundsätze „Ordnung – Gesetz – Harmonie“ in plastische Formen umzuwandeln und damit zum Ausdruck zu bringen, „dass Chaos nur durch Gesetz und Ordnung überwunden werden kann.“

Widerstände und Schwierigkeiten verschiedenster Art brachten jedoch das Projekt des „Dreifaltigkeitskarmel Steinbach“ zum Scheitern. Das Grundstück erwies sich als ungeeignet, die Bewohner des Ortes, die Presse und verschiedene kirchliche Stellen sprachen sich gegen das Projekt aus, und die österreichische Architektenschaft bezweifelte, dass der Bildhauer Wotruba überhaupt im Stande sei, einen „Raum“ zu kreieren.

Ottillinger beschloss aber, wenigsten den Kirchenbau errichten zu lassen, und Kardinal König sagte ihr weiterhin die vollste Unterstützung der Erzdiözese Wien zu. Die Suche nach einem geeigneten Grundstück erstreckte sich bereits über ganz Niederösterreich, als schließlich von der Republik Österreich ein Bauplatz am Georgenberg in Wien Mauer zur Verfügung gestellt wurde. Der Georgenberg war im Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Stützpunkt der Fliegerabwehr, und noch heute befinden sich in dem Gebiet Überreste der Flakstellungen und der ehemaligen Flakkaserne.

Der Grundriss der Kirche bekennt sich, so Wotruba, „zum Prinzip der Asymmetrie“. Dies gilt auch für den Baukörper: Riesige, unterschiedlich große Betonblöcke scheinen wahllos übereinander getürmt zu sein.

Dieses „Chaos“ ist jedoch durch eine dynamische Verschränkung der waagrechten und senkrechten Flächen und Kanten geordnet, und durch die Schließung der Lücken und Zwischenräume mit Glas wird letztendlich ein geschlossenes Raumgebilde geschaffen. Die Betonblöcke umschließen in unregelmäßigen Aufstellungen den Hauptraum, und mit Hilfe eines Betonblocks ist auch eine Kapelle abgetrennt. In der Mitte und an der engsten Stelle des Raumes bildet der Altar ein gleichsam „natürliches Zentrum“, das sich allerdings nur an zwei Seiten des Altars zu den Gläubigen hin öffnet. Die sparsame Einrichtung – das Tabernakel, Kerzenleuchter, ein großes Kruzifix – ist ebenfalls von Wotruba entworfen worden. Im Kellergeschoß richtete er einen Gemeinschaftsraum bzw. eine Unterkirche ein.

Ist dieser Baukörper nun eine „begehbare Skulptur“, wie er häufig charakterisiert wird, oder ist er eine Kirche, eine „Kathedrale der Demut“, wie er auch bezeichnet wird. Er ist beides, und nur wenn man diese Fragen isoliert betrachtet, zeigen sich Mängel: Auf der einen Seite wird die Wirkung des Bauwerkes als offene, begehbare Plastik durch die Verglasung der Zwischenräume und der flachen Decke beeinträchtigt. Auf der anderen Seite entspricht die Situierung des Altars nur höchst eingeschränkt seiner liturgischen Funktion, wie sie insbesondere im 2. Vatikanum definiert wurde. Der Priester hat während der Feier der Hl. Messe nämlich nicht die Gläubigen vor sich, sondern den unmittelbar vor dem Altar aufragenden Betonblock. Aber, so Wotruba, „keine Raumgestaltung ist am Ende ideal.“

„Man wird nicht leugnen“, stellte Fritz Wotruba fest, „dass Harmonie nur durch Überwindung vieler Gegensätzlichkeiten zustande kommt, und eben das soll diese Kirche dokumentieren.“ Die „Harmonisierung“ der Gegensätze von „offener“ Plastik und „geschlossenem“ Kirchenraum zu einer künstlerisch und ästhetisch anspruchsvollen Architektur-Skulptur stellt die wesentliche Leistung des Künstlers dar, mit der er zugleich die vielfältige Gestaltungspalette im Kirchenbau um eine außergewöhnliche Fassette bereicherte, die zwischen 1960 und 1980 im Baustil des "Brutalismus" ihren Ausdruck fand.  Durch die erhöhte Lage begünstigt, beeindruckt dieser Kirchenbau schon von weitem durch seine rätselhafte Archaik und durch die Dynamik, welche die Verschränkung der einzelnen Baublöcke erzeugt.

20. Jhd.