1100 Wienerfeldgasse 11
1977-1979
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden 1939-42 am südlichen Abhang des Wienerbergs zu beiden Seiten der Laxenburger Straße die Siedlungen „Wienerfeld Ost“ und „Wienerfeld West“ errichtet, die in den 1950er Jahren noch durch Wohnblöcke erweitert wurden.
Da die umliegenden Kirchen nur schwer erreichbar waren, wurde 1962 zunächst ein ehemaliger Pferdestall der Wienerberger Ziegelwerke als Notkirche adaptiert. In den 1970erJahren stellte die SPÖ ihren Versammlungsraum für die Feier der Gottesdienste zur Verfügung. Die wachsende Gemeinde erforderte jedoch mehr Raum und 1977 wurde nach dem Entwurf von Johannes Spalt mit dem Bau des „Pfarrzentrums am Wienerfeld“ begonnen.
Spalt plante einen nord-süd gerichteten langgestreckten, flachen Baukörper, der in drei Abschnitte unterteilt ist: Auf den beinahe quadratischen Kirchenraum mit der Werktagskapelle bzw. einem Aussprachezimmer im Norden folgt der an beiden Längsseiten zurückspringende Gemeinschaftsraum mit einer Dachterrasse. Daran anschließend liegt – wieder in der Breite der Kirche - der südliche, eingeschossige Baublock mit Räumen für den Pfarrer, die Pfarrkanzlei und Jugendgruppen im Erdgeschoß sowie Mietwohnungen im Obergeschoss. Im Gegensatz zu der ruhigen Geschlossenheit des gesamten Baukörpers ist die Fassade durch Loggien vielgliedrig aufgelöst, von einem über die gesamte Breite durchlaufenden Balkon kann man einen prächtigen Fernblick genießen.
Um, wie Spalt betont, „Ruhe und Geborgenheit“ zu vermitteln sind alle Gebäudeteile von einem gemeinsamen weitausladenden Dach überspannt und von einer Mauer aus alten Wiener Granit-Pflastersteinen umfasst. Die Wände bestehen sowohl außen als auch innen aus einer Holzständerkonstruktion, die mit hell verputzten Betonsteinen ausgefacht ist. Mit dem Ziel, das Gebäude unauffällig in den Hang des Wienerbergs einzufügen, verzichtete Spalt auf die Errichtung eines Turmes.
Im Kircheninneren hat Spalt die Bestimmungen des 2. Vatikanischen Konzils aufgreifend, den Altar beinahe ins Zentrum des Raumes gerückt und die Kirchenbänke U-förmig angeordnet, um den Gläubigen eine intensivere Beteiligung an der Liturgiefeier zu ermöglichen. Eine in die Decke eingeschnittene Lichtquelle betont den Altar als Mittelpunkt der Gemeinschaftsfeier. Das Triptychon „Hymne an Maria“, das Herbert Böckl bereits 1934 angefertigt hatte, setzt als Altarrückwand einen kräftigen farbigen Akzent. Die hölzerne Deckenkonstruktion sowie Fensterbänder unter dem Dach und vertikale Lichtschlitze aus Glasbausteinen erzeugen eine wohnliche Raumatmosphäre.
Spalt legte großen Wert auf die Verwendung traditioneller Baumaterialien. Mit dem Einsatz des „warmen“ Materials Holz setzte er eine lange österreichische Tradition fort. Mit den Pflastersteinen erinnert er an die Straßen Wiens, die ab 1828 mit dem genormten „Wiener Granitwürfeln“ aus den Mauthausener Steinbrüchen befestigt wurden. Erstaunlich ist, dass er kein Ziegelmaterial nutzte, obwohl es jahrzehntelang im unmittelbaren Umfeld in zahlreichen Ziegelwerken hergestellt wurde und auch den Kirchenbau des 19. Jahrhunderts prägte.
Die Kirche stieß bei den Pfarrangehörigen auf strikte Ablehnung. Vor allem wurde kritisiert, dass das Gebäude nicht als Kirche erkennbar sei – ein weißes Holzkreuz wurde erst später vor der Fassade aufgestellt. Stößt ein Betrachter von Architektur auf Unbekanntes oder Unerklärliches, so versucht er häufig, sich durch Vergleiche mit Vertrautem dem Neuem anzunähern. So reagierten auch die Kirchenbesucher und der fremdartige Bau wurde alsbald als „Lagerhaus“, „Scheune“, „Fitnesszentrum“ oder „Japanisches Teehaus“ bezeichnet.
Interessant ist, dass Spalts außergewöhnliches Planungskonzept auch fachkundige Rezensenten zu Vergleichen mit Vertrautem anregte. Aus der Gestaltung des Baukörpers wurde die Typologie „voralpenländischer Streckhöfe“, „alttürkischer Wohnbauten“ oder „slowakischer Holzkirchen“ herausgelesen, und in der Konstruktionsweise die „traditionsreiche Technologie des Fachwerkbaus“ (Friedrich Achleitner) erkannt.
Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts ist geprägt von der Suche nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten für eine Jahrhunderte alte Bauaufgabe. Johannes Spalt hat zwar eine ungewohnte, aber interessante und ästhetisch ansprechende Lösung gefunden.