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Aktuelle Seite: 22., Schüttauplatz Kaisermühlen Kirche
WS-22.17
22. Bezirk - Donaustadt

Viktor Luntz

1887-1895

Auf einer der Inseln, die die zahlreichen Nebenarme der Donau gebildet hatten, lag die kleine Ansiedlung Kaisermühlen, die vor allem von Betreibern von Schiffmühlen bewohnt wurde. 1850 wurde der Ort der Stadt Wien eingemeindet und Teil des neu entstandenen 2. Bezirks. (Seit 1954 gehört Kaisermühlen zum 22. Bezirk Donaustadt.) Nach der 1870 bis 1875 erfolgten Donauregulierung ließen sich die Mühlen nicht mehr betreiben, aber im Zuge der Industrialisierung entstanden zahlreiche Fabriken und für die zugezogenen Arbeiter wurde eine Reihe von billigen Zinshäusern errichtet. Für die Bewohner war die Pfarrkirche St. Nepomuk in der Praterstraße zuständig, aber sie war mehr als eine Stunde Fußweg entfernt, sodass zunehmend die Errichtung einer „eigenen“ Kirche diskutiert wurde.  

Unter den zahlreichen Bauten, die anlässlich der Wiener Weltausstellung 1873 errichtet wurden, befand sich auch eine „Eiserne Kirche“ der Firma Hemming & Co. Laut der Pfarrchronik soll die Firma nach Ende der Ausstellung die Kirche der „Colonie Kaisermühlen“ geschenkt haben, aber „das Blechkirchlein blieb ungeliebt und war eines Tages spurlos verschwunden.“

In den 1880er Jahren verzeichnete Kaisermühlen bereits mehr als 8000 Einwohner. Der Besuch der weit entfernten Nepomuk Kirche war den meisten zu beschwerlich und mit den rund 500 Schulkinder wurde nur zwei Mal im Jahr einen Kirchenbesuch unternommen. Die unzureichende seelsorgliche Betreuung, Arbeiterunruhen und die, wie es heißt, insgesamt deutlich feststellbare „sittliche moralische Verwilderung des Volkes“ veranlassten Karl Ryba, Kaplan von St. Nepomuk und Katechet der Volksschule in Kaisermühlen, 1884 eine Kirchenbauverein zu gründen, um der Bevölkerung endlich zu einem Kirchenbau zu verhelfen. Die vorrangige Aufgabe des Vereins war, für den geplanten Neubau Spenden zu sammeln, einen Architekten mit einem Entwurf zu beauftragen und die bauliche Durchführung zu beaufsichtigen.

In den Gründungsstatuten heißt es ausdrücklich, dass der Neubau als „Basilika“ im Stil der italienischen Romanik errichtet werden solle. Mit der Planung wurde Alois von Erlach, ein Schüler Heinrich Ferstels, beauftragt. Der Architekt entwarf einen dreischiffigen Längsbau mit einem sehr breiten und sehr hohen Mittelschiff, einem Rundchor und einem frei stehenden Turm. Der Entwurf fand breite Zustimmung, allerdings nahm Erlach wenig später den Auftrag zu einem Kasernenbau in Jablanica, Herzegovina, an und verließ Österreich. Daraufhin wurde der Architekt Viktor Luntz angefragt, das Kirchenprojekt zu übernehmen. Luntz, der Jahre später auf der anderen Seite der Donau im 2. Bezirk, beinahe gegenüber, die Kaiser Jubiläumskirche errichten sollte, nahm den Auftrag an, jedoch unter der Bedingung, eigene Vorstellungen einbringen zu dürfen. Karl Ryba, der Vorsitzende des Kirchenbauvereins bestand allerdings ausdrücklich auf die Errichtung einer „Basilika“. Daraufhin übernahm Luntz kurzerhand den Entwurf seines Kollegen in verkleinertem Maßstab und nahm nur – vor allem an der Chorseite - geringfügige Änderungen vor.

Nachdem von der Donau-Regulierungskommission am Schüttauplatz ein großzügig dimensioniertes Grundstück kostenlos zur Verfügung gestellt worden war, fand im Jahr 1887 in Beisein Kaiser Franz Josefs die feierliche Grundsteinlegung statt. Um den Gläubigen möglichst bald Messfeiern zu ermöglichen, wurde zunächst der Chor und ein Joch des Langhauses errichtet, provisorisch eingedeckt und als Notkirche eingerichtet und geweiht. Aus finanziellen Gründen zog sich die Fertigstellung des kompletten Gebäudes bis ins Jahr 1894 hin, die Weihe fand 1895 statt. Der ursprünglich im gleichen Stil geplant Campanile wurde erst 1966 von Erwin Plevan in moderner Form errichtet.

Bei der Innenraumgestaltung hielt sich Luntz an die frühen italienischen Vorbilder und trennte die Schiffe durch korinthische Säulenarkaden. Die zwei ersten Säulen beim Chor stammen vom 1881 abgebrannten Ringtheater. Das Mittelschiff erhielt eine Holzkassettendecke mit Rosetten, die Seitenschiffe einfache Kassettendecken. Die Buntglasfenster wurden von der bekannten „Tiroler Glaswerkstätte“ hergestellt und zeigen in Medaillons die Kreuzwegstationen. Die gesamte Innenausstattung und die liturgischen Geräte wurden nach Entwürfen von Viktor Luntz hergestellt.

Obwohl die Amtskirche bei der Gestaltung von Kirchenneubauten generell einen deutschen mittelalterlichen Stil vorschrieb, konnte auf speziellen Wunsch des Kirchenbau-Initiators auch ein anderer Stil gewählt werden. So wollte etwa Kardinal Rauscher auf Grund seiner Lebensgeschichte, dass bei der Antonskirche im 10. Bezirk die Kirche St. Anton in Padua als Vorbild genommen werden. Möglicherweise verband Karl Ryba mit dem Bau einer italienischen Basilika ebenfalls persönliche Erinnerungen.

Historismus