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Aktuelle Seite: 21., Kinzerplatz Donaufelderkirche
WS-21.11
21. Bezirk - Floridsdorf

Franz Neumann

1905-1906

Die Besiedlung des Donaufeldes, heute ein Teil des 21. Bezirks Floridsdorf, begann erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. An einem Arm der damals noch unregulierten Donau ließen sich im „Mühlschüttel“ vor allem Besitzer von Schiffsmühlen nieder und etwas weiter nördlich, an der heutigen Leopoldauer Straße, entstand das neue Wohngebiet „Neuleopoldau“. Im Jahr 1886 wurden die neu entstandenen Ansiedlungen zur Gemeinde „Donaufeld“ zusammengeschlossen und der Donauarm, der die beiden Gebiete trennte, zugeschüttet.

Im Jahr 1892 hielt der Statthalter von Niederösterreich, Erich Graf von Kielmansegg eine denkwürdige Rede. Er habe nämlich „vorgedacht, Niederösterreich eine neue Landeshauptstadt zu schaffen.“ Dafür aber kämen nur die „an der Donau Wien gegenüberliegenden Gemeinden Floridsdorf, Donaufeld und Jedlsee“ in Frage. Voraussetzung aber sei, so der Statthalter, dass sich diese Gemeinden zur Großgemeinde Floridsdorf vereinigen und ihnen auch „städtischer Charakter und Ansehen“ gegeben werde. Die neue Landeshauptstadt sollte auch Bischofssitz werden und eine entsprechende Kathedrale erhalten.

Daraufhin beauftragte das Stift Klosterneuburg, das für die neu zu errichtende Kirche die Patronanz übernahm, den Wiener Architekten Franz Neumann, Pläne für einen Kathedralbau zu entwerfen. Nachdem jedoch von der Idee des Bischofssitzes wieder Abstand genommen wurde, sah sich Franz Neumann, der bereits erste Pläne für eine Kirche mit zwei Türmen erstellt hatte, veranlasst, seinen Entwurf umzuarbeiten. Wie viele Architekturtheoretiker und Architektenkollegen vertrat nämlich auch er die Ansicht, dass eine Zweiturmfassade nur bei einer Bischofskirche errichtet werden dürfe und für eine Pfarrkirche unangemessen sei. Neumann plante daher an der Hauptfassade nur mehr einen Turm, allerdings mit der beachtlichen Höhe von 100 Metern.

Schließlich musste jedoch auch der Plan, Floridsdorf zur Landeshauptstadt von Niederösterreich zu machen, aufgegeben werden. Im Jahr 1904 beschloss nämlich der Gemeinderat der k.k. Reichs- und Residenzstadt Wien, dass die Gemeinde Floridsdorf mit den umliegenden Orten zusammengefasst und als 21. Bezirk der Stadt Wien eingemeindet wird. Da die geplante Kirche nunmehr im Wiener Stadtgebiet lag, die Türme keiner Kirche jedoch die Höhe der Votivkirchentürme überschreiten durften, verkürzte der Architekt den Turm auf 96 Meter, womit jedoch die Donaufelder Pfarrkirche nach der Stephans- und Votivkirche immerhin den dritthöchsten Turm Wiens erhielt.

Nachdem das Stift Klosterneuburg die Zusage erteilt hatte, die Baukosten zu übernehmen, wurde im Jahr 1905 die feierliche Grundsteinlegung vorgenommen. Da sich der Bauplatz auf dem zugeschütteten Mühlschüttarm der Donau befindet, musste er allerdings zuvor mit tausenden in den Boden gerammten Lärchenstämmen befestigt werden.

Franz Neuman war ein Schüler von Friedrich Schmidt und dem Vorbild seines Lehrers folgend, plante er in Sichtziegelbauweise eine dreischiffige neogotische Hallenkirche mit einer Einturmfassade. Ähnlich wie bei Schmidts Weißgerber Kirche ist das unterste Geschoss des Turms als offene Vorhalle für den Haupteingang der Kirche ausgebildet. Die Gestaltung des extrem langen Chorhaupts, die Einrichtung von Oratorien über der Sakristei und der Taufkapelle sowie die streng symmetrische Konzeption des Gebäudes hat Neumann zweifelsfrei von seinem ursprünglich entworfenen Kathedralbau übernommen.

Bei der Gestaltung des mächtigen, neogotischen Backsteinbaus sind im Grunde genommen nur wenige typisch gotische Formelemente eingeflossen, wie etwa die Spitzbogenfenster am Langhaus oder die aus Stein gearbeiteten Fialen am Hauptturm. Daneben findet sich auch neoromanisches Vokabular in Form des Rundbogens und der geometrisch stilisierten Rauten-Ornamente. Bemerkenswert ist, dass dieser Bau trotzdem als gotisches Kirchengebäude wahrgenommen wird. Es zeigt sich, dass der Architekt diesen Effekt vor allem durch konstruktive Maßnahmen erzielte: durch die Planung des hohen schlanken Turms, die Ausbildung von Strebepfeilern, die großen Fenster sowie die in das Dach einschneidenden Dreiecksgiebel. Bei der Gestaltung des dreischiffigen Innenraums mit dem markanten Netzrippengewölbe folgte der Architekt unmissverständlich gotischen Vorbildern.

Da Franz Neumann im Jahr der Grundsteinlegung verstarb, wurden seine langjährigen Mitarbeiter Karl Troll und Johann Stoppel mit der Ausführung des Baus betraut. Diese hielten sich grundsätzlich an die Pläne von Neumann und brachten nur in Details eigene Vorstellungen ein, so wie etwa die eisernen Verzierungen am Turmhelm und die modernen Stilisierungen der Säulen im Innenraum.

Die Einrichtung der Kirche stammt fast durchwegs aus der Bauzeit. Die plastischen Einrichtungsgegenstände, wie die Luster, die Kanzel und die Altäre sind in Metalltreibarbeit ausgeführt. Besondere Beachtung fand der Hochaltar, der wie die vergrößerte Wand eines Reliquienschreins gestaltet ist.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Kirchenbau durch Bombensplitter beschädigt und die Kirchenfenster weitgehend zerstört. Das einzige, komplett erhaltene Fenster mit der Darstellung des heilen Leopolds und seiner Gemahlin Agnes befindet sich hinter dem Hochaltar.

Der rund 35 Meter breite und 80 Meter lange, rund 5000 Gläubige fassende Kirchenbau ist exakt geostet, so dass am Geburtstag des Hl. Leopold, dem Patron der Kirche, die Sonne genau über dem Altar in den Kircheninnenraum trifft.

Historismus