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Aktuelle Seite: Ma. Enzersdorf St. Gabriel
NÖS-163
Bez. Mödling

Pater August Theissen  / Sepp Hubatsch

1892-1914

Exerzitienhaus

Herbert Witte 

1961-1963

Der Orden der „Steyler Missionare“ wurde 1875 im niederländischen Steyl gegründet. Das Hauptanliegen dieser neuen Ordensgemeinschaft war, weltweit christliche Gemeinden unter Berücksichtigung der jeweiligen Kulturen und Traditionen aufzubauen. 1889 wurde in Maria Enzersdorf eine Niederlassung errichtet, die als zentrale Ausbildungsstätte der Missionare sowie als Zentrum der wissenschaftlichen Forschung im Bereich der Völkerkunde und Missionswissenschaft Bedeutung erlangen sollte.

Für die weitläufige, ummauerte Anlage erstellte Pater August Theisen einen „Idealplan“, der neben einer Kirche und den Klosterbauten auch eine Reihe von Werkstätten, Wirtschaftsgebäuden, Landwirtschaftsflächen, einen Friedhof sowie einen kleinen Landschaftsgarten vorsah. Das gesamte Kloster war wahrscheinlich als symmetrische Anlage mit drei Innenhöfen geplant. Dem dritten Hof fehlt allerdings der seitliche Abschluss und damit das Pedant zu dem Trakt, der mit zwei Ecktürmen mit Balustradenabschluss besonders ausgezeichnet wurde. Die 3 bis 5-stöckigen Klostergebäude erhielten verschiedene Fensterformen und sparsames Dekor aus Ziegelfriesbändern. Sämtliche Gebäude wurden im neoromanischen Stil aus unverputztem Ziegelmaterial errichtet, das zum Großteil in der eigenen Ziegelei hergestellt wurde – die ehemalige Lehmgrube ist heute ein Teich im Park.

Von zentraler Bedeutung war natürlich die Kirche, die in zwei Etappen von 1892-1914 errichtet wurde. Der mächtige späthistoristische Kirchenbau wurde „stilrein“ als neoromanische Basilika mit einer Zweiturmfassade, einem Langhaus mit einem ausladenden Querhaus sowie einem Umgangschor mit einem Kapellenkranz geplant. Unter dem Chorbereich wurde eine große Krypta angelegt.

Für die künstlerische Ausgestaltung wurde eine eigene Mosaikwerkstatt gegründet. Die drei Kirchenportale erhielten jeweils im Tympanon ein Mosaikbild und auch im Kircheninneren wurden die Wände mit Mosaiken geschmückt. Bemerkenswert ist insbesondere der große Mosaikfußboden im Chorbereich. Auch die Fenster wurden zum Teil von einer hauseigenen Glasmalerei-Werkstätte hergestellt. Die Marmorsäulen im Chorbereich stammen vom ehemaligen, 1881 abgebrannten Ringtheater in Wien.

Das Ordenshaus erfreute sich schnell eines regen Zulaufs, der durch den Ersten Weltkrieg nur kurz eine Beeinträchtigung erfuhr. In der Zwischenkriegszeit wurden eine Druckerei und Buchbinderei sowie der weltweit bekannt gewordene Knabenchor „Sängerknaben vom Wienerwald“ gegründet. 

Nach Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche 1954-57 renoviert, die zerstörten Fenster wieder hergestellt und die Apsis erhielt ein großes Mosaikbild, das bereits bei der Kirchenerrichtung geplant worden war, aber nie zustande gekommene ist.

1961-63 errichtete Herbert Witte ein neues modernes Exerzitienhaus, das er mit Sichtziegelfeldern den bestehenden Gebäuden anpasste. Das Haus wurde 2013 geschlossen, die von Maria Biljan-Bilger entworfenen Glasfenster der Kapelle befinden sich heute im Untergeschoss der Buchhandlung, die 1969 in einem neu erbautem Straßentrakt eingerichtet worden war.

1967 wurde von Hans Petermair die Krypta umgestaltet. 1979 wurde unter der Leitung von Architekt Heimo Widtmann eine umfassende Innenrenovierung durchgeführt und der Chorbereich entsprechend den neuen vatikanischen Bestimmungen mit einem Volksaltar in der Mitte der Vierung neu gestaltet.

Mangelnder Nachwuchs bewog die Ordensleitung, das ca. 30.000m² Areal durch Verpachtungen neuen Verwendungszwecken zuzuführen, und es wurden zunächst ein Caritas-Wohnheim für Flüchtlinge eingerichtet und eine Montessorischule eröffnet. Im Jahr 2018 wurde von dem neu gegründete „Immobilienfonds St. Gabriel“ im Hauptgebäude das Seminarhotel und Veranstaltungszentrum „Gabrium“ eröffnet. In den kleineren Nebengebäuden haben sich diverse Firmen eingemietet. Bei sämtlichen Gebäuden wurde die Außengestaltung nicht verändert und die Adaptierungen der Innenräume erfolgte mit größtmöglicher Rücksicht auf den Originalzustand.