1180 Bischof-Faber-Platz
1887-1891
Im Jahr 1736 ließ der Hofkriegsrat Matthäus Lydl von Schwanau in seinem Geburtsort Gersthof die Johannes-Nepomuk-Kapelle errichten. Im Zuge der josephinischen Reformen wurde 1784 die Pfarre Gersthof gegründet und die Johannes-Nepomuk-Kapelle zur Pfarrkirche erhoben.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verzeichnete Wien einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung und das zu Wohlstand gekommen Bürgertum begann, in den idyllischen Orten rund um Wien Sommerresidenzen erbauen zu lassen. Zudem ließen sich viele Zuwanderer, die in der Hauptstadt Arbeit fanden, in den Vororten auch dauerhaft nieder. In Gersthof wurde für die wachsende Bevölkerungszahl die barocke Nepomukkapelle zu klein und nachdem sich Erweiterungspläne als nicht durchführbar erwiesen hatten, wurde 1885 ein Kirchenneubau beschlossen.
Für den Bauplatz stellte die Gemeinde Gersthof einen Teil des alten, aufgelassenen Friedhofs zur Verfügung, und zusätzlich stiftete der Großgrundbesitzer und Industrielle Albert Dub ein Grundstück, mit der Auflage, den nicht für den Kirchenbau benötigten Teil „zur Verschönerung von Gersthof als öffentliche Parkanlage zu verwenden“ (Pfarrchronik).
Mit der Erstellung von Plänen wurde der Architekt Richard Jordan beauftragt, der vor allem als Erbauer von Pfarr- und Ordenskirchen bekannt geworden ist.
Jordan hatte bei Friedrich Schmidt ein Architekturstudium absolviert, war anschließend Mitarbeiter in dessen Atelier und unverkennbar holte er sich Anregungen von den Kirchenbauten seines Lehrers, die er jedoch eigenständig verarbeitete.
Wie Schmidt wählte Jordan den Typus eines traditionellen dreischiffigen Langhausbaus und führte den Bau im neogotischen Stil und in Sichtziegelbauweise aus. Sparsam eingesetzte Hausteinelemente, wie etwa Fialen, weisen die Stilzughörigkeit aus, dienen aber auch der dekorativen Auflockerung des Gebäudes.
Jordan war bei Friedrich Schmidts Brigittakirche in Wien 20 als Bauleiter tätig gewesen. Hier fand er wohl die Anregung, das Langhaus als Halle mit etwas niedereren Seitenschiffen zu planen. Am Außenbau akzentuierte er jedoch die Seitenschiffe durch jochweise quer zum Mittelschiffdach verlaufende Satteldächer und die jeweiligen Fronten durch dreiteilige Lanzettfenster in vertieften Spitzbogenfeldern, sodass der Eindruck von Kapellenanbauten entsteht.
Auch die Idee, die Querschiffarme als Anbauten für die Sakristei bzw. Taufkapelle auszuführen, um kostspielige Zubauten einzusparen, hat Jordan von der Brigittakirche übernommen, aber durch breitere Formulierungen deren Funktionalität erhöht. Denn dadurch entstand im Hauptraum ein weiträumiger Freiraum, der für die Aufstellung der Schulkinder diente, wobei fallweise auch die Taufkapelle miteinbezogen wurde.
Friedrich Schmidt hat in Wien sechs Kirchen errichtet. Die größte Wertschätzung erfuhr die Weißgerber Kirche im 3. Bezirk, da sie mit dem hohen, vielteilig aufgelösten Fassadenturm dem Ideal eines mittelterlichen Kathedralbaus am nächsten kam. (mehr hier) Auch Jordan plante einen Fassadenturm, dessen Untergeschoß als Kircheneingang in die Kirche ausgeführt ist. Während jedoch bei Schmidts Kirche der Turm den gesamten Baukörper dominiert, hat Jorden den Turm mit seitlichen Glockentürmchen und turmartigen Eckanbauten an der Vorhalle optisch zu einer breiten Fassade arrangiert.
Die Kombination der gedrungenen Turmausführung mit den massiven Gliederungen des Langhauses ließ ein ausgewogenes und harmonisches Gesamtbild entstehen, und es zeigt sich einmal mehr, dass die Architekten des Historismus trotz strikter Vorgaben der Amtskirche und trotz der einheitlichen Sichtziegelbauweise beeindruckend variationsreiche und individuelle Lösungen gefunden haben.
Während des Zweiten Weltkriegs hatte sich in Gersthof unter Leitung des damaligen Kaplans Heinrich Maier eine Widerstandsgruppe gebildet. Er wurde verraten und am 28. März 1944 verhaftet, nachdem er – bereits in Anwesenheit der Gestapo - seine letzte Messe in der Gersthofer Pfarrkirche zelebriert hatte. Nach grausamsten Folterungen wurde er am 22. März 1945 hingerichtet. In der Kirche erinnert die Skulptur Der kopflose Rufer von Hans Schwabenitzky (1988) an das Verbrechen.