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Aktuelle Seite: 4., Karlsplatz Karlskirche
WS-4.1
4. Bezirk - Wieden

Johann Fischer von Erlach

1716 - 1737

Als im Jahr 1713 in Wien bereits zum siebenten Mal innerhalb kurzer Zeit die Pest wütete, gelobte Kaiser Karl VI. (Kaiser 1711-40), dem Pestheiligen Karl Borromäus eine Kirche zu errichten, sobald die Stadt von der Seuche erlöst sei. Tatsächlich erlosch die Pest einige Monate später, und der Kaiser beauftragte nach einem Architektenwettbewerb Johann Bernhard Fischer v. Erlach mit der Realisierung des versprochenen Kirchenbaus.

Die Grundsteinlegung erfolgte 1716. Als Johann Fischer v. Erlach 1723 verstarb, führte sein Sohn Josef Emanuel den Bau weiter. Wenngleich er außen und innen einige Umplanungen vornahm – er veränderte vor allem die Höhe des Tambours, flachte die Kuppel ab und vereinfachte die Innenausstattung – verdankt sich die außergewöhnliche Komposition der Karlskirche doch einzig dem ursprünglichen Entwurf seines Vaters. 1737 erfolgte die Weihe der Kirche.

Von Anfang an war geplant, mit dem Bauwerk nicht nur dem Hl. Borromäus eine Votivgabe zu entrichten, sondern auch dem Kaiser als Imperator eines Weltreichs ein Denkmal zu setzen. Dies zeigte sich bereits bei der Wahl des Bauplatzes, der in der verlängerten Achse Herrengasse-Augustinerstraße die Kirche zum Blickpunkt einer „Via triumphales“ inszenierte, die den Kaiser von der Hofburg zu seinem Lustschloss, der Favorita, dem heutigen Theresianum, führte.

Für den Kirchenbau selbst wurde von dem Hofantiquar und Gelehrten Carl Gustav Heraeus ein vielschichtiges allegorisches Programm entwickelt, in dem mit bestimmten Bauelementen auf bedeutende Epochen bzw. mächtige Herrscher der Vergangenheit verwiesen wurde. Auf diese Weise wurde Karl VI. in eine allegorisch aufgeladene Reihe mit diesen historischen Persönlichkeiten gestellt und deren Glanz und Ruhm auch ihm als herrschendem Kaiser zugeschrieben.

Die wichtigste Rolle wurde den Säulen zu beiden Seiten des Portikus zugewiesen, die als mehrfachte Bedeutungsträger den Bogen der Assoziationskette von den biblischen Zeiten über das antike römische Imperium bis hin zu Kaiser Karl V. spannen:

  1. Der Kaiser wurde schon zu Lebzeiten als „Übertreffer“ bzw. „neuer“ Salomon gepriesen und dementsprechend sollte das Säulenpaar „Jachin“ und „Boas“, von dem man annahm, dass es das Portal des Jerusalemer Tempels flankierte, in Wien ein „neues Jerusalem“ entstehen und den Bauherrn quasi als Nachfolger Salomos erscheinen lassen.
  2. Als Paraphrase der Trajan- und der Marc Aurel Säule in Rom gemahnen die Säulen an die Größe der bedeutenden römischen Kaiser, mit denen Karl VI. somit als „Neuer Augustus“ in eine Reihe gestellt wird. Zeigen die römischen Triumphsäulen in den spiralförmig angeordneten Reliefs die Heldentaten der Kaiser, wollte Karl VI. hingegen - wie es heißt aus „aus Bescheidenheit“ - Szenen aus dem Leben des Hl. Borromäus dargestellt sehen. Die ostentative Machtverherrlichung der römischen Kaiserzeit und die christliche Ikonographie werden in dem Säulenpaar also bewusst vereint – allerdings mit einem optisch deutlichen Überhang der Glorifizierung der Staatsmacht.
  3. Darüber hinaus wird mit diesen geschichtsträchtigen Säulen Kaiser Karl VI. mit Kaiser Karl V. (Kaiser 1520-56) gleichgestellt, in dessem Wappen die zwei Säulen des Herakles, die in der Antike die Straße von Gibraltar bezeichneten, die Größe des Habsburger Reichs von „Anfang bis Ende des Erdenkreises“ symbolisierten.

Obwohl in Folge des Spanischen Erbfolgekriegs etliche Habsburger Besitztümer verlorengegangen waren, sollte damit auch Karl VI. als Herrscher eines Weltreiches, in dem „die Sonne nie untergeht“ dargestellt und gleichzeitig der Anspruch auf die verlorenen Gebiete legitimiert werden.

Aber auch eine Reihe anderer historischer Anspielungen und Reminiszenzen lässt sich festmachen. So diente der Friedenstempel „Templum Pacis“ in Rom als Vorbild für die Gestaltung des Eingangsportals, um auf diese Weise Karl VI. auch als „Friedenskaiser“ auszuweisen.

Nicht zuletzt wurde mit der Kuppel - in deutlicher Anlehnung an die Peterskirche in Rom - Wien zum „neuen“ Rom, zum Mittelpunkt des christlichen Abendlandes, stilisiert.

Die Leistung Johann Fischer v. Erlachs, die vorgegebenen, stilistisch und architektonisch äußerst unterschiedlichen Bauteile zu einer geordneten und ästhetischen Einheit zu verbinden, zeigt ihn am Höhepunkt seiner außergewöhnlichen Begabung. Sein Konzept zielte auf eine Zusammenschau der Fassade mit dem Kuppelbau, die gemeinsam eine imposante Schauseite präsentieren. Die Ansicht lässt sich in mehrere Ebenen gliedern, die jeweils durch das Zusammenfassen zu Dreiergruppen ihre kompositorische Verfestigung erfahren. Einerseits geschieht dies durch gestalterische und thematische Elemente: die höchsten Punkte des Baus – die Kuppel und die zwei Säulen – korrespondieren mittels der Laternenaufbauten, miteinander. Zusätzlich wird durch die Kaiserkronen auf den Säulenlaternen und dem Reichsapfel auf der Kuppellaterne die alles überragende Bedeutung des Stifters manifestiert.

Als Kontrapunkt wird die Bedeutsamkeit des Pestheiligen in einem vorgelagerten Querriegel veranschaulicht, der mit der Apotheose des Heiligen an der Giebelspitze des Portikus und den Figuren Glaube und Hoffnung auf den Helmen der Glockentürme wiederum eine Dreiergruppe bildet.

Andererseits werden die Stilmittel methodisch geordnet: die zeitgenössische barocke Sphäre findet ihren ästhetischen Ausdruck in der Dreieckkomposition, die sich aus der Zusammenschau des Kuppelaufbaus und der zwei Glockentürme ergibt. Demgegenüber wird in Form einer Schauseite vor der Schauseite mit dem Portikus und den beiderseitig situierten Triumphsäulen die antike Ebene - wiederum in einer Dreiergruppe - inszeniert. Und zuletzt erfahren diese zwei Gruppen eine kontrapunktische Verschränkung: die barocke Gruppe steigt in der Mitte an, während die antike gleichsam spiegelbildlich zur Mitte hin absinkt.

Dieses Arrangement der Gruppenkompositionen wird durch weitere Gestaltungsmittel zu einer komplexen Einheit verdichtet: Eine Balustrade verbindet die zwei weit auseinander liegenden Glockentürme, und die um den gesamten Bau geführte Sockel- bzw. Attikazone sowie die einheitlich gestalteten Pilaster und Fenster tragen maßgeblich zum ästhetischen Zusammenhalt des gesamten Kirchenbaus bei. Mit den Einschwüngen hinter den Säulen sowie den Rundungen, die dem ovalen Innenraum entsprechen, präsentiert sich mit dieser Kirche ein außergewöhnliches, stimmiges und dynamisch bewegtes barockes Gesamtkunstwerk, das seinesgleichen sucht.

Während am Außenbau vor allem allegorische Verweise und tiefgründige Anspielungen auf die Verherrlichung des Kaisers hinzielten, stand in dem bemerkenswert prunkvoll ausgestatteten Kircheninneren augenscheinlich und deutlich lesbar die Verherrlichung des Hl. Karl Borromäus im Vordergrund. In diesem Sinn zeigt der Hochaltar, der auf Entwürfe des älteren Fischers zurückgeht, die Apotheose des Pestheiligen und das von Michael Rottmayr gestaltete monumentale Kuppelfresko Karl Borromäus als Fürbitter vor Gott.

 

Ein Panoramalift im Kirchenraum bringt Besucher auf eine Plattform in 32,5 Metern Höhe, wo man die Fresken aus nächster Nähe betrachten und den Innenraum aus einer neuen Perspektive erleben kann.

Barock