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Aktuelle Seite: 11., Zentralfriedhof-Luegerkirche
WF-11.1
11. Bezirk -Simmering

Max Hegele

1908-1910

Die Begräbnisstätten im dicht verbauten Stadtgebiet waren eine der Ursachen für die immer wiederkehrenden Pest-, Cholera- und Typhusepidemien. Ab dem 16. Jahrhundert wurden daher die innerstädtischen Friedhöfe nach und nach aufgelassen und vor die Stadtmauern verlegt.

Nachdem die Türken 1683 endgültig besiegt worden waren, begann allerdings außerhalb der Stadtmauern eine rege Bautätigkeit, sodass diese Friedhöfe sehr bald wiederum im dicht besiedelten Gebiet lagen. Joseph II. bestimmte daher im Jahr 1783, dass sämtliche Friedhöfe innerhalb des Linienwalls geschlossen und in die davor liegenden Vororte verlegt werden müssen.

Durch den enormen Bevölkerungszuwachs im 19. Jahrhundert waren jedoch die Belegflächen dieser Friedhöfe sehr bald erschöpft und die zunehmende Verbauung der Vororte ließ auch kaum eine Vergrößerung zu.

Die Gemeinde Wien beschloss daher, eine neue, großzügig angelegte interkonfessionelle Begräbnisstätte außerhalb der Stadt zu errichten. Im Jahr 1866 wurde von der Gemeinde Kaiserebersdorf (heute 11. Bezirk) Ackerland aufgekauft, und 1871 ein internationaler Wettbewerb für eine erste Ausbaustufe des Friedhofs ausgeschrieben. Die Frankfurter Architekten C. J. Mylius und A. F. Bluntschli gingen als Sieger hervor und bereits 3 Jahre später fand die feierliche Eröffnung statt.

In den 1880er Jahren wurden die Arkadengrüfte erbaut, die Ehrengräberanlage geschaffen und die Umbettung der sterblichen Überreste bedeutender Persönlichkeiten von den alten Friedhöfen Wiens in die Wege geleitet.

Die Errichtung der Friedhofsanlage stellte ein bedeutendes und viel beachtetes kommunales Projekt der Gemeinde Wien dar, und Bürgermeister Karl Lueger zeigte großes Interesse an einem weiteren, modernen Ausbau des Friedhofs. Im Jahr 1899 wurde daher ein neuerlicher, diesmal auf Österreichs Architekten beschränkter Wettbewerb ausgeschrieben. Die Bedingungen sahen die Errichtung einer Kirche mit angrenzenden Kolumbarien vor, die Erneuerung der Portalanlage, die Adaptierung der bestehenden Verwaltungsgebäude sowie je eine, den neuesten internationalen Standards entsprechende Leichenhalle für infektiöse und für nichtinfektiöse Verstorbene.

Von den 30 Wettbewerbsteilnehmern konnte der erst 27-jährige Max Hegele den ersten Preis erringen. Als Schüler von Viktor Luntz an der Akademie der bildenden Künste hatte er eine profunde Ausbildung in den Stilen der Vergangenheit erhalten. Gleichzeitig zeigte er sich jedoch auch gegenüber Otto Wagners propagierten modernen Architektur aufgeschlossen und sein Entwurf aus einer Kombination von traditionellen barocken Formulierungen mit Elementen der Moderne fand breite Zustimmung.

Das Konzept der Friedhofnutzung sah vor, die Aufbahrungen generell in den Leichenhallen vorzunehmen und die Kirche nur in Ausnahmefällen für hochrangige Verstorbene zu nutzen. Dadurch wurde sie allerdings ihrer prinzipiellen Hauptaufgabe als Friedhofskirche weitgehend beraubt – sie wurde im eigentlichen Sinn zwecklos, bzw. auf ein architektonisches Element der monumental zu inszenierenden Friedhofsanlage reduziert.

Hegeles Leistung bestand nun darin, dass er dem evidenten Repräsentationsanspruch des Bauherrn erfasste und den Sakralbau kurzerhand in einen Prestigebau des Auftraggebers umfunktionierte, indem er der urbanen Prosperität der Gemeinde Wien und deren Begründer Karl Lueger ein eindrucksvolles Denkmal setzte.

Dazu wählte Hegele einerseits barocke Formulierungen, um in Erinnerung an die große Zeit der Habsburger Herrscher dem Bauherrn Lueger bzw. der Gemeinde Wien eine ähnliche herausragende Bedeutung zuzuschreiben. Andererseits legitimierte Hegele mit Formelementen aus dem Repertoire der Moderne die Stadtregierung als Garant des Fortschritts und Aufschwungs.

Auch die dekorative Ausgestaltung erfolgte im modernen Stil, wobei der Auftraggeber signifikant gewürdigt wird: Nicht nur an der Außenfassade nämlich, sondern auch im Innenraum, in den Glasfenstern, in der Unterkirche, selbst an den Kirchenbänken finden sich entweder das Wappen oder das Monogramm der Gemeinde Wien deutlich sichtbar appliziert.

Bürgermeister Lueger verstarb noch während der Bauzeit. Nach seinem Tod wurde die Kirche endgültig zum Memorialbau dieses bedeutenden Bürgermeisters modifiziert: Die Kirche erhielt den Namen „Dr. Karl Lueger-Gedächtniskirche“ und in der Unterkirche wurde für den Verstorbenen eine eigene Grabkapelle mit einem prächtigen Marmorsarkophag errichtet.

An der halbkreisförmigen Stirnwand der Kirche wurde die ursprünglich geplante Durchfensterung weggelassen, um einem großen Altarbild Platz zu machen: Die Darstellung des Jüngsten Gerichts zeigt den weiß gekleideten Bürgermeister Lueger, der von Engeln in den Himmel geleitet wird. Darüber hinaus wird in einem Wandgemälde seitlich des Altars Lueger als Kirchenstifter verewigt: mit der Bürgermeisterrobe bekleidet übernimmt er in herrscherlicher Pose das Modell der Kirche von der knienden Vindobona.

Von der repräsentativen Portalanlage führt eine lange Allee zum monumentalen Kirchenbau als viel beachteter Mittelpunkt der Friedhofsanlage, die heute nach mehrmaligen Erweiterungen mit fast zweieinhalb Quadratkilometern und rund 330.000 Grabstellen zu den größten Friedhofsanlagen Europas zählt. Als interkonfessioneller Friedhof geplant, wurden einzelnen Glaubensgemeinschaften eigene Areale zugewiesen. Neben der großen katholischen Abteilung gibt es den alten und neuen jüdischen Friedhof, die orthodoxen Bereiche, den evangelischen Friedhof, die islamische und die buddhistische Abteilung sowie etliche Sektoren diverser Interessensgruppen und Organisationen.

20. Jhd.