2276 Gemeinde Bernhardstal
Katzelsdorf, Hauptstraße 73a
1905 - 1908
Anlässlich seines 50jährigen Regierungsjubiläums ließ Fürst Johann II. von Liechtenstein an Stelle einer kleinen, im Kern gotischen, aber mehrmals erweiterten Kirche im Jahr 1905 einen repräsentativen Neubau errichten. Der Architekt Carl Weinbrenner, ein Schüler von Friedrich Schmidt, stand als Leiter des Bauamtes in Eisgrub/Lednice, CZ im Dienst des Fürsten und folgerichtig wurde er mit diesem Neubau betraut. Für den Bau und die Innenausstattung wurden ebenfalls fürstliche Künstler und Handwerker herangezogen, denn „die Liechtenstein'schen Grundherren waren dafür bekannt, auf künstlerischem Gebiet dem Kaiserhof in Wien gern um eine Nasenlänge voraus zu sein.“ (Wiener Kirchenzeitung 1993). Dessen ungeachtet hat sich Weinbrenner aber generell als Erbauer zahlreicher Kirchen in Niederösterreich sowie in Südmähren einen Namen gemacht.
Die Kirche ist mit einem einschiffigen Langhaus mit Seitenkapellen, einem Querschiff, einem Chor mit 3/8 Schluss sowie einem hohen, dem Chorquadrat beigestellten Turm als traditioneller Langhausbau konzipiert. Tief in der Gestaltungsweise des Historismus verwurzelt kombinierte der Architekt romanische und gotische Formelemente und mit zahlreichen Anbauten, Türmen und Türmchen verlieh er der Kirche jenen malerischen Habitus, der sich insbesondere gegen Ende des 19. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreute.
Nicht nur die „abwechslungsreiche Gliederung hat das malerische Gepräge der Kirche bewirkt“ (WBIZ). Viel Beachtung fand vor allem auch die Anwendung von verschiedenartigen Baumaterialien, die die malerische Wirkung „wesentlich erhöhten und der Kirche ein eigenartiges Aussehen verliehen, wie es wenige Landkirchen besitzen“. Die Sockel sind aus grünlich-gelbem Sandstein hergestellt, die Säulen der Vorhalle, die Turmspitze mit dem Zinnenkranz, die Fensterrose sowie die Schlusssteine der Türen wurden aus blaugrauem Sandstein gefertigt. Die Mauerflächen erhielten einen gelblichen, grobkörnigen Spritzwurf, der zu den roten Formsteinen der Fensterumrahmungen, Gesimse und Friese aus der „Fürstlich Liechtenstein’schen Thon- und Ziegelwaarenfabrik“ in Unterthemenau/Poštorná, CZ einen markanten Kontrast bildet. Auch im Inneren setzt sich die vielfältige farbige Gestaltungsweise fort. Die Rippen des Kreuzgewölbes sind mit roten Formsteinen verkleidet, Sockel und Kapitäle aus blauem Sandstein hergestellt. Die Wände erhielten eine reiche ornamentale Polychromierung. Vergoldungen, Goldmosaike, große Fenster mit figuralen Glasmalereien und „stilgerechte“ Bodenfliesen ergänzen die pachtvolle Ausstattung.
Insgesamt zeigt sich, dass am Anfang des 20. Jahrhunderts der Historismus noch kräftige Lebenzeichen von sich gab. Insbesondere im Sakralbau konnten oder wollten sich die wenigsten Architekten den Vorgaben der konservativen, alle Erneuerungen strikt ablehnenden Amtskirche entziehen, die noch weit bis in die 1930er Jahre allein mittelalterliche Stile und Grundrisskonzepte für den Kirchenbau geeignet hielt. (mehr hier)
Der nahe gelegene Pfarrhof aus dem 18. Jahrhundert wurde von Weinbrenner aufgestockt und die Fassade mit neobarocken Motiven neu gestaltet.