3100 St. Pölten
Ratzersdorf, Hauptplatz
1937
In der einst eigenständigen Gemeinde Ratzersdorf befand sich eine kleine Ortskapelle, für den Besuch der Gottesdienste mussten die Gläubigen jedoch die Kirche im benachbarten Pottenbrunn aufsuchen. Beide Orte sind seit den 1970er Jahren ein Stadtteil von St. Pölten.
In Ratzersdorf wurde aufgrund der zunehmenden Einwohnerzahl bereits Anfang des 19. Jahrhunderts der Bedarf einer eigenen Kirche diskutiert. Aber erst 1937 fand für den Neubau die Grundsteinlegung statt und, wie die Pfarrchronik berichtet, konnte „mit überaus großer Unterstützung der Bevölkerung Ratzersdorfs (Geldspenden und umfangreiche Arbeitseinsätze) […] das Gotteshaus bereits am 5. September 1937 durch Bischof Michael Memelauer geweiht werden.“
Mit der Planung der Kirche wurde der Architekt Leopold Arthold beauftragt. Arthold entwarf einen kleinen schlichten Längsbau mit einem markanten Rundturm an der linken Seite der Hauptfassade und einem rechteckigen Choranbau, dem an einer Seite unter dem schräg herabgezogenen Dach die Sakristei angefügt ist. Rundfenster, die durch kräftige Putzumrahmungen beton sind, akzentuieren die Seitenwände. Der Turm wiederholt die Rundform der Fenster, die auch den kugelförmigen Turmhelm bestimmt.
Im Kircheninneren erhielt das Chorhaupt ein Tonnengewölbe und der schlichte Saalraum eine Holzdecke, die auf kräftigen Konsolen aufliegt.
Das Altarbild Jesus der gute Hirte wurde von1848 Wilhelm August Rieder gefertigt und befand sich ursprünglich in der Kapelle der Militärunterrealschule in St. Pölten. Anlässlich der Auflösung der Schule wurde das Bild - in der Hoffnung auf einen Kirchenneubau - bereists 1918 vom damaligen Pottenbrunner Pfarrer angekauft.
Arthold folgte bei der Gestaltung des Kirchenbaus dem zeitgenössischen Trend zu einer einfachen, funktionalen Formensprache. Mit dem gezielten Einsatz der Rundform hat er der sachlichen Gestaltungsweise die Strenge genommen und mit den runden Fenstern eine angenehme Raumatmosphäre geschaffen. (Architekturpsychologische Studien besagen, dass runde Formen „Wohlbefinden“ erzeugen.)