3500 Martin Lutherplatz 3
1912 - 1913
Krems war im 16. Jahrhundert ein Zentrum der lutherischen Reformationsbewegung und Ende des Jahrhunderts bekannten sich über 90 Prozent der Einwohner zum evangelischen Glauben, bis sie im Zuge der Gegenreformation zur Konversion oder Abwanderung gezwungen wurden. Erst als 1781 Kaiser Josef II das „Toleranzpatent“ erlassen hatte, entstand in Krems langsam wieder eine kleine evangelische Gemeinde, die 1895 die Andreaskapelle des ehemaligen Herzogshofs für die Abhaltung der Gottesdienste erwarb.
Nachdem die Gemeinde gewachsen und sich 1905 als selbständige „Pfarrgemeinde Krems“ etabliert hatte, wurde 1912 die Errichtung einer Kirche beschlossen. Die Ausführung wurde dem jungen deutschen Architekt Otto Bartning (1883-1959) übertragen, der in den folgenden Jahrzehnten ein viel beschäftigter und hoch geschätzter Architekt im protestantischen Kirchenbau werden sollte.
Bartning setzte sich in theoretischen Erwägungen intensiv mit der Gestaltung des Sakralbaus auseinander. Der Anfang des 20. Jahrhunderts noch viel diskutierten „richtigen“ Stilwahl maß er keine Bedeutung bei, wichtig war für ihn die Schaffung eines Raumes als Ort der religiösen Handlung. „Jeder Raum hat eine architektonische Spannung – im Kuppelraum zum Beispiel vom Rand zum Zentrum und hoch zur Kuppel. Jede gottesdienstliche Handlung hat eine liturgische Spannung, die sich in der Anordnung der Gemeinde zu Altar und Kanzel ausdrückt.“ (Otto Bartning). Beide Spannungen sollten sich vereinigen und stärken, um einen zentralen Raum für die liturgische Feier der versammelten Gemeinde entstehen zu lassen.
In diesem Sinn hat Bartning für die Heilandskirche einen achteckigen, zweistöckigen Zentralbau konzipiert, der von einer mächtigen Kuppel auf einem hohen Tambour bekrönt ist. Der schlichte Innenraum entspricht dem Außenbau und wird durch ein umlaufendes Oratorium auf schlanken Säulen akzentuiert. Durch die nur leicht getönten Fenster und die fein nuancierte Färbelung erscheint der Raum hell und freundlich. Die Kirchenbänke sind halbkreisförmige um den weit in den Raum vorgerückten Altar angeordnet und verstärken dessen zentrierende Wirkung.
Bei diesem Frühwerk zeigte sich der Architekten noch der formalen Gestaltung des Historismus verpflichtet. Allerdings wählte er nicht die im Kirchenbau vertrauten mittelalterlichen, sondern „profane“ klassizierende sowie heimatstilartige Formulierungen, sodass die Kirche von außen eher wie ein Profanbau wirkt, was bei der Pfarrgemeinde dann auch wenig überraschend auf breite Ablehnung stieß.
Direkt an die Kirche anschließend befinden sich der Gemeindesaal sowie das Pfarrhaus, erst in den 1950er Jahren wurde der von Bartning geplante Kindergarten angebaut.
Im Jahr 1985 erfolgte durch Herbert Rodinger eine umfassende Renovierung und Modifikation des Kircheninnenraums sowie die Anpassung des Pfarrhauses und des Gemeindesaales an die heutigen Bedürfnisse. Die Altarrückwand wurde durch einen Wandteppich mit dem Titel „Horizont“ vom Künstlerehepaar Eva und Günther Wolfsberger neu gestaltet.
Das große Toleranzkreuz neben der Kirche wurde 1981 vom Stift Zwettl zur Erinnerung an das Toleranzpatent Josephs Il. von 1781 gestiftet.