3970 Gemeinde Unserfrau-Altweitra
Altweitra, neben Kirche
1843-1845
Anfang des 17. Jahrhunderts gelangte die Familie Fürstenberg, ein altes sächsisches Adelsgeschlecht, durch eine Erbschaft und Heirat in den Besitz der Herrschaft Weitra und begründete die „Landgräfliche Linie Fürstenberg-Weitra“. Ihr Wohnsitz war das Schloss Weitra, zu dem die mittelalterliche Kuenringer Burg im Laufe der Jahrhunderte erweitert worden war, und das sich noch heute im Besitz der Familie Fürstenberg befindet.
Im 19. Jahrhundert zeigt sich der Trend, bedeutenden Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wirtschaft repräsentative Mausoleen oder Grüfte zu errichten. Aber auch Familien des alten und neuen Adels ließen als Ausdruck ihres gesellschaftlichen Ranges vermehrt aufwendige Grabstätten errichten.
In diesem Sinn ließen 1843 auch die Fürstenbergs eine würdevolle Familiengruft erbauen. Der bemerkenswerte Gruftbau wurde neben der Kirche in Altweitra auf dem Gelände des früheren Friedhofs von dem Weitraer Baumeister Hermann Schneider errichtet. Die Apsisrundung der Kirche aufnehmend, gestaltete er eine weite, rund sieben Meter hohe Exedra, die den Kirchenplatz nach Osten hin abschließt. Möglicherweise ließ er sich bei der Konzeption des außergewöhnlichen Baukörpers von den noch als Ruinen bestehenden Exedren der Thrajansthermen aus dem Jahr 109 n.Chr. in Rom inspirieren, die Stadt, die im 19. Jahrhundert für einen Architekten ein beinahe unumgängliches Ziel von Besichtigungsreisen war.
Der Gruftbau ist aus Sichtziegelmaterial errichtet und mit Sandstein-Spitzbögen zwischen spitzbogigen Blendarkaden strukturiert. In den dreistöckigen Nischen befinden sich die Grüfte verstorbener Mitglieder aus dem Haus Fürstenberg. In der zentral gelegenen tiefen Nische wurde ein modernes Eisenkreuz errichtet.
Mit dem Rückgriff auf die antike Exedra, die Teil der Umfassungsmauer der Therme war, ist Hermann Schneider dem Prinzip des Historismus gefolgt, historische Architekturformen aufzugreifen und im zeitgemäßen Stil für einen anderen Verwendungszweck zu modifizieren. Er hat damit nicht nur eine innovative Lösung für den Gruftbau gefunden, sondern durch die Bezugnahme auf die Apsisrundung der Kirche auch die beiden Gebäude stimmig zu einem ästhetischen Ensemble zusammengeführt.