1894-1898
Die steigende Anzahl der Wiener Bevölkerung bewirkte, dass sich viele Zuwanderer in den Vororten außerhalb des Linienwalls niederließen, und zwischen den Orten Ottakring und Neulerchenfeld war um die Jahrhundertmitte das neue Dorf Neuottakring entstanden.
Bereits 1848 sollte diese neue Ansiedlung eine Kirche erhalten, doch erst rund 40 Jahre später wurde von Alexander Wielemans und seinem Mitarbeiter Theodor Reuter ein erster Entwurf vorgelegt. Als Dank für eine reiche Spende von Kronprinz Rudolf sollte die Kirche dem Hl. Rudolf geweiht werden. Allerdings reichten für die Realisierung dieses Projekts nicht die finanziellen Mittel, ein kostengünstigerer Entwurf des Architekten Alois Wurm-Arnkreuz fand beim Kultusministerium keine Zustimmung und die Kirchenerrichtung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. 1862 wurde das Kirchenbauprojekt wieder aufgegriffen und von Friedrich Schmidt ein Entwurf vorgelegt – und wieder wurde die Ausführung aufgeschoben.
Die im Jahr 1892 erfolgte Eingemeindung der Vororte Ottakring und Neulerchenfeld mit den umliegenden Dörfern als 16. Wiener Bezirk verlangte nun ein „standesgemäßes Gotteshaus“ und Wielemans und Reuter wurden 1894 beauftragt, ihren Entwurf von 1848 zu überarbeiten und den Bau auszuführen. Infolge des Selbstmords des Kronprinzen wurde die Dedikation auf Hl. Familie abgeändert.
Die Neuottakringer Kirche ist aus Sichtziegel als neogotische, dreischiffige Hallenkirche mit einer Zweiturmfassade und einem Rundchor mir Chorumgang ausgeführt. Die Stilwahl, die Konzeption des Baukörpers sowie die Wahl des Materials bestätigen, dass den Architekten zweifellos die Kirchenbauten ihres Lehrers Friedrich Schmidt als Vorbild gedient haben.
So ähnelt die Zweiturmfassade frappant Schmidts Brigitta-Kirche in Wien 20., und der Lazaristenkirche im 18. Bezirk und bei der Weißgerber Pfarrkirche in Wien 3. findet sich ein prominentes Beispiel für einen Chorumgang. So wie Schmidt hat auch Wielemans den Umgang zum Kircheninneren nicht geöffnet. Als Verbindungsgang zwischen der Sakristei und der Taufkapelle deklariert, war er in der Praxis nutzlos und er wurde zu einem Abstellraum umfunktioniert. Dem Beispiel Schmidts folgend, hat somit auch Wielemans dem Chorumgang allein den Stellenwert eines malerischen Attributs am Außenbau zugewiesen. Auch bei der im Späthistorismus eher unübliche Konzeption einer Hallenkirche scheint sich Wielemans an seinem Lehrer orientiert zu haben, dessen nicht realisiertes Projekt für die Neuottakringer Kirche bereits als Hallenkirche geplant war.
Da die finanziellen Mittel sehr beschränkt waren, hat Wielemans eine sehr schlichte Außengestaltung vorgenommen und wiederum ein Vorbild in Schmidts Brigittenauer Kirche gefunden. Teure Steinmetzarbeit vermeidend hat er auf gotisches Vokabular weitgehend verzichtet und stattdessen billig herstellbare romanische Rundbogenfriese stimmig in die neogotische Gesamtkonzeption eingebunden.
Die ursprünglichen Schablonenmalereien an den Wänden und Säulen wurden anlässlich einer Renovierung 1940 entfernt, der reiche Bilderschmuck blieb weitgehend erhalten. Die Innenausstattung erfolgte von dem Bildhauer Franz Leimer, der den 10 Meter hohen Hochaltar sowie die Seitenaltäre und die Kanzel mit besonders vielfältigem, filigranem Eichenholzschnitzwerk im neogotischen Stil anfertigte.
Als auf Grund der Bestimmungen des Zweiten Vatikanischen Konzils in den 1970er Jahren ein Volksaltar errichtet wurde, hat man diesen nicht wie üblich in der Längsachse, sondern im Chor seitlich aufgestellt – nicht zuletzt, um die Sicht auf den viel bewunderten Altar nicht zu behindern. Diese Maßnahme stieß allerdings bei der Amtskirche auf wenig Verständnis, was zur Folge hatte, dass erst 1997, zur Hundertjahrfeier der Kirche, die Weihe des neuen Altars vorgenommen wurde.