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Aktuelle Seite: 11., Svetelskystraße Leberbergkirche
WS-11.9
11. Bezirk - Simmering

Wolfgang Zehetner / Walter Zschokke / Walter Michl

1995-1997

In den 1990er Jahren wurde der Leberberg im Bezirksteil Kaiserebersdorf zum Stadterweiterungsgebiet erklärt. Für die Bewohner der rund 3000 geplanten Wohneinheiten wurde auch der Bau eines Gemeindezentrums vorgesehen, das eine Kirche, einen Pfarrsaal, Jugendräume, einen zweigruppigen Kindergarten sowie ein Pfarrhaus umfassen sollte.

Aus dem 1994 ausgeschriebenen Wettbewerb ging Dombaumeister Wolfgang Zehetner mit seinem Team Walter Zschokke und Walter Michl als Sieger hervor. Das Architektenteam wählte als Grundrissform des Zentrums ein eiförmiges Oval, in dessen spitzem Ende die Kirche situiert ist, während die übrigen Gebäude dem Oval außen angefügt sind, sodass ein großer Kirchenvorplatz entstand. Um einen markanten Kontrapunkt zu den umliegenden, bis zu sechsgeschossigen Wohnbauten zu setzen, sind die Bauten des Gemeindezentrums bewusst niedrig ausgeführt.

Mit dem Kirchenbau schufen die Architekten eine höchst eigenwillige und außergewöhnliche Konstruktion, die sich aus unterschiedlichen geometrischen Figuren zusammensetzt. Als Teil des eiförmigen Ovals erhielt die Kirche die Grundform einer Parabel, die durch eine konkave Eingangsfassade abgeschlossen ist. An der Spitze der Parabel befindet sich der Altarbereich in Form einer Ellipse, die allerdings aus der Hauptachse des Kirchenraums schräg versetzt ist und über die Grundform Kirchenbaus hinausschwenkt. An den Brennpunkten der Ellipse stehen der Tabernakel und der Ambo, im Mittelpunkt befindet sich der Altar. Diese „Altarinsel“ ist durch zwei Stufen erhöht und von einer Schiene umfasst, auf der wandhohe Sitzelemente so verschoben werden können, dass eine Trennwand zum Hauptraum entsteht und der kleine Altarraum als Werktagskapelle nutzbar wird.

Die rechte Seitenwand des Kirchenraumes erhielt unregelmäßig angeordnete Fensteröffnungen mit der Darstellung der Kreuzwegstationen und wird, dem Schwung der Ellipsenlinie folgend, in absteigender Höhe als Begrenzungsmauer zur Hauptdurchzugsstraße weitergeführt. Die Fassade mit dem Haupteingang besteht aus einer Stahlglaskonstruktion und außen vorgelagerten Stahlbetonsäulen. Der Großteil der Glastafeln wurde in einem aufwändigen Verfahren mit 9 Millimeter dünnen Carrara-Marmorplatten beschichtet.

Die spezielle Raumwirkung wird nicht nur durch den Lichteffekt der durchscheinenden Marmortafeln erzielt. Die Ellipsenform der Altarinsel wird mit einem indirekten Beleuchtungsband nachgezeichnet, und an der Decke wird mit 1,20 Meter hohen Glasprismen über das Glasdach des darüber liegenden Turms Tageslicht eingefangen. Die Lichtpunkte sind laut Walter Zschokke nach einem Muster angeordnet, das Albrecht Dürer aus Fünfecken und Rhomben entworfen hatte. Allerdings ersetzte der Architekt die Rhomben durch Glasprismen und „verfremdete das Muster soweit, dass die Erkennbarkeit erst nach längerer Analyse möglich“ wird, so Zschokke.

Die Decke des Hauptraumes besteht aus einer geschwungenen, 33 Tonnen schweren Kassettendecke aus Fichtenholz, deren komplizierte, computergestützte Herstellung am Fußboden der Kirche erfolgte und die sodann mit zwei Kränen hochgehoben wurde.

Unterzieht man die Innengestaltung des Hauptraums einer „längeren Analyse“, um nochmals Zschokke aufzugreifen, so stößt man auf einige irritierende Aspekte:

Gesellschaftliche Umbrüche im 19. Jahrhundert hatten sich auch im Kirchenbau niedergeschlagen und die hierarchische Trennung des Priesters von den Gläubigen war weitgehend obsolet geworden. Stattdessen entstanden Gemeinschaftsräume, in denen der Altar zum örtlichen und spirituellen Zentrum der Messfeier wurde, was auch in den Bestimmungen des Zweiten Vatikanischen Konzils seinen Niederschlag fand.

Die Architekten dieses Kirchenbaus folgten diesem Trend allerdings nur bedingt. Stattdessen vollzogen sie mit der Konzeption der Altar-Ellipse ähnlich wie bei einer traditionellen Chorgestaltung eine deutliche Abgrenzung des Priesters von den Gläubigen, wobei die Aufstellung des Altars generell Probleme aufwirft. Denn die erfolgte Schrägstellung und Versetzung der Ellipse bewirkt, dass der Altar - der wichtigster Ort der Liturgie - nicht nur schräg zur Gemeinde aufgestellt ist, sondern dass anstatt des Altars der Tabernakel in der Haupt- und Blickachse des Kirchenraumes zu liegen kommt. Um diese Unstimmigkeit auszugeichen, griffen die Architekten wiederum auf den traditionellen Langhausbau zurück, indem sie die Kirchenbänke zu zwei Blöcken zusammenfassten und einen Mittelgang bildeten, der den Weg bzw. Blick vom Haupteingang zum Altar lenkt. Diese asymmetrische Anordnung der Bänke sowie das optische Changieren zwischen der Raumachse und der Mittelgangachse erzeugen jedoch eine unruhige und unbehagliche Raumatmosphäre, die durch die dunkle, niedere Decke, aber auch durch die Gestaltung der Empore links neben dem Eingang noch verstärkt wird. Denn in dem Raum, in dem es scheinbar keinen rechten Winkel gibt, wirkt die rechteckige, auf Pfeilern ruhende Empore wie ein sperriger Fremdkörper, der ratlos in die Ecke geschoben wurde.

Für die spirituelle und einladende Raumatmosphäre eines Kirchenraums spielt die Beleuchtung eine große Rolle. An der komplizierten Deckenkonstruktion konnten oder sollten jedoch keine Beleuchtungskörper angebracht werden, weshalb Laternen mit tulpenförmigen Glaskörpern aufgestellt wurden. Das heißt hier wurde zwar ein stützenloser Raum konstruiert, aber die Vielzahl der Laternenstützen, die inmitten der Bankreihen aufgestellt wurden, beirren den Blick zum Altar und beeinträchtigen nicht zuletzt die gesamte Raumwirkung.

Die Leberbergkirche und das Gemeindezentrum stellen zweifellos eine außergewöhnliche und interessante architektonische Leistung dar. In der Gesamtbetrachtung verfestigt sich allerdings der Eindruck, dass die mathematischen Berechnungen und geometrischen Modelle, die der Konstruktion zu Grunde liegen, die Überhand über den eigentlichen Zweck des Bauwerks und seine sakralen Implikationen gewinnen. Liturgischer Zweck und avantgardistischer Anspruch gelangen somit im Inneren des Kirchenbaus nur mit Abstrichen zur Deckung, was der zweifellos originellen Gesamtkonzeption des Ensembles im Äußeren jedoch keinen Abbruch tut.

21. Jhd.