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Aktuelle Seite: 5., Wiedner Hauptstraße Florianikirche
WS-5.5
5. Bezirk - Margareten

Rudolf Schwarz

1961-1963

1850 wurde Matzleinsdorf gemeinsam mit umliegenden Vororten als 4. Bezirk Wieden in die Stadt Wien eingemeindet. Während sich im stadtnahen Bereich vor allem Mitglieder des Bürgertums ansiedelten, entwickelte sich das Gebiet nahe des Linienwalls zu einem Arbeiterbezirk und die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede führten 1861 zur Abtrennung des zentrumsferneren 5. Bezirks Margareten.

Im vormaligen Ort Matzleinsdorf wurde 1709 eine kleine Kapelle errichtet, die 1701-1719 durch einen größeren barocken Kirchenbau ersetzt wurde. Sie wurde dem Hl. Florian geweiht und die in der Folge stattfindenden Rauchfangkehrerumzüge rund um die Kirche verliehen ihr den Beinamen Rauchfangkehrerkirche.

Die Kapelle stand noch inmitten von Weingärten, erst als die größere Kirche errichtet wurde, entstanden entlang der beiden Längsseiten der Kirche schmale Fahrstraßen und kleine Wohnhäuser, wodurch sich die Zweiteilung der breiteren Matzleinsdorfer, heute Wiedner Hauptstraße erklärt.

Das stetig wachsende Verkehrsaufkommen hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg zu Überlegungen geführt, die Kirche abzureißen und 1935 wurde zunächst der weit in die Straße ragende Pfarrhof abgetragen. Nach Jahren heftiger Debatten und nachdem die Stadt Wien der Erzdiözese ein Grundstück Ecke Wiedner Hauptstraße und Laurenzgasse mit der Auflage, dem Kirchenabbruch zuzustimmen, überlassen hatte, wurde schließlich 1955 trotz erbitterter Proteste der Bevölkerung auch die Beseitigung des „Verkehrshindernisses“ Kirche beschlossen.

Aus einem 1957 internationalen Wettbewerb für den Kirchenneubau ging der deutsche Architekt Rudolf Schwarz als Sieger hervor. Sein Entwurf stieß allerdings wegen der „außergewöhnlichen Strenge, Härte und Wucht“ (Pfarrer Blieweis) auf heftige Ablehnung. Schwarz legte daraufhin noch weitere Varianten für den Neubau vor, schließlich wurde jedoch der Wettbewerbsentwurf mit einigen Änderungen und in verkleinerter Form zur Ausführung bestimmt. Der Architekt verstarb allerdings noch vor der Grundsteinlegung 1961 und der Bau wurde von seiner Frau, der Architektin Maria Schwarz, fertiggestellt. Die Bauleitung hatte der Wiener Architekt Hans Petermair über, von dem auch das anschließende, 1965 erbaute Pfarrhaus mit Glockenstube stammt.

Schwarz war sehr gläubig und legte seinen Planungen komplexe, mystisch-symbolische Überlegungen zu Grunde. Er sah im Kirchenbau eine Reihe von „Urbildern“, von denen er für die Florianikirche die „Wegeform“ wählte, in der sich das „Aufbrechen […] im Dunkel des Tores und Hinziehen und Erreichen […] des Lichts“ als gemeinsame Handlung der Gläubigen vollzieht.

Für die Ausführung der Wegekirche griff der Architekt den traditionellen Bautypus einer Basilika auf, den er allerdings zu „zwei übereinander gebauten Zonen, unten einer niedrigen, in der Form eines gedrungenen Rechteckes, und einem sehr hohen Obergaden in der Form eines langgestreckten Rechtecks“ umformulierte. D.h., er plante ein dreischiffiges Langhaus mit sehr breiten und niederen Seitenschiffen, die gleichsam einen Sockel bilden für das hoch aufragende kubische Mittelschiff, das Schwarz als „Festplatz“ und als mit Fensterbändern „bekränzten Schrein“ interpretierte.

Die Möglichkeiten der Stahlbetonkonstruktion nutzend, sind die Wände des Mittelschiffs komplett in farbige Glasfenster aufgelöst, wodurch der Innenraum eine außergewöhnliche Raumwirkung erhielt, die je nach Wetterlage zwischen mystisch dunkel und strahlend hell changiert. Die 835 Fenster mit einer Fläche von 747,11m² wurde von dem Maler Giselbert Hoke geschaffen. Kreuzförmig angeordnete Fensterflächen an der Eingangsfassade kennzeichnen das Gebäude als Sakralbau, an der Altarwand wurde ein Baum „eingewoben“.

Unter der Leitung der Witwe des Architekten erfuhr der ursprüngliche Entwurf einige Änderungen, die sich teils erst während der Bautätigkeit als notwendig herausstellten, teils vom Bauherrn gewünscht wurden. Später erforderten die Errichtung des Pfarrhauses sowie die Bestimmungen des Vatikanischen Konzils wiederum einige Umgestaltungen.

Das umlaufende Fensterband mit 76 quadratischen Fenstern im Sockelbereich war ursprünglich von Schwarz nicht vorgesehen gewesen, da er die Seitenschiffe als dunklere Zone vom hellen „Festplatz“ abgehoben sehen wollte. Das Abweichen vom ursprünglichen Konzept erwies sich dann auch als Fehlplanung. Die hellen Fenster hatten eine starke Blendwirkung und beeinträchtigten die Fulminanz der bunten Glasfenster des Kirchenschiffs. So wurden die Fenster im Nachhinein gerußt, sodass durch die dunkelgrauen Scheiben kein Licht mehr einfallen kann. Wegen des 1965 erfolgten Anbaus des Pfarrhauses am linken Seitenschiff mussten die Fenster zugemauert werden und an der 17,10 Meter langen Seitenwand wurde ein 55,25 m² großes Kreuzwegrelief des Bildhauers Peter Gangl angebracht. Zudem wurden die vom Architekten geplanten vier Lichthöfe in den Seitenschiffen durch große rechteckige Laternen ersetzt, um durch das einfallende Tageslicht die Seitenaltäre und das Taufbecken hervorzuheben. Die Innenausstattung wurde Großteils vom „Büro Schwarz“ entworfen.

2005 wurde das rechte Seitenschiff für die „Jugendkirche Wien“ adaptiert, einem Projekt der Katholischen Jugend der Erzdiözese Wien, das mittels diverser Veranstaltungen insbesondere Jugendliche ansprechen sollte, die andere kirchliche Angebote nicht nutzen. Zu diesem Zweck wurde ein Teil des rechten Seitenschiffes abgemauert, ein neuer Eingangsbereich geschaffen und eine neue Heizung, eine Licht- und Tonanlage sowie eine bühnentechnische Grundausstattung installiert. 2016 wurde das Projekt aus finanziellen Gründen beendet.

Als die Kirche 1963 geweiht wurde, überschattete die Frage nach dem Schicksal der vertrauten und beliebten Rauchfangkehrerkirche die Feiern. Alle Bemühungen, den Abriss der barocken Kirche doch noch zu verhindern, verliefen jedoch im Sande und die „bornierte Stadtzerstörung“ (Friedrich Achleitner) zu Gunsten des Autoverkehrs wurde 1965 vollzogen. Den Gläubigen verblieb die „Halleluja-Garage“, wie die neue Kirche alsbald genannt wurde.

20. Jhd.