1200 Marschallplatz
1908 - 1909
Hetzendorf war eines der zahlreichen Dörfer, die im Laufe der Jahrhunderte rund um die Hauptstadt Wien entstanden sind. Erst im Zuge der Stadterweiterung wurde im Jahr 1890 Hetzendorf gemeinsam mit seinen umliegenden Nachbargemeinden als 12. Bezirk der Stadt Wien eingemeindet.
Den Bewohnern von Hetzendorf stand bis dahin die Hetzendorfer Schlosskapelle zur Verfügung, die jedoch für die schnell anwachsende Bevölkerung sehr bald zu klein wurde. Die Gründung eines Kirchenbauvereins war schließlich der Beginn eines langen und konfliktreichen Weges zu einer neuen Kirche. Nachdem vorerst mit einem beträchtlichen Darlehenszuschuss von der Gemeinde Wien gerechnet worden war, machte ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs, das besagte, dass einzelnen Religionsgemeinschaften keine Steuermittel zufließen dürften, alle finanziellen Planungen zunichte, und man sah sich ausschließlich auf Spendeneinnahmen verwiesen. Obwohl die Einnahmen sehr spärlich flossen, begann sogleich die Suche nach einem geeigneten Bauplatz. Mehrere Plätze wurden ins Auge gefasst, doch teils wegen der ungünstigen Lage nahe der Verbindungsbahn (heute eine Schnellbahnlinie), teils wegen überhöhter Forderungen der Grundstückeigentümer wurde als Kompromiss schließlich ein Bauplatz gewählt, der gerade noch finanzierbar war, der aber inmitten von Äckern und Wiesen weit außerhalb des besiedelten Gebietes lag. Allerdings erwartete man eine baldige Verbauung dieses Gebiets, denn nach einer amtlichen Schätzung sollte Wien um 1950 4 Millionen Einwohner zählen. Durch den Zusammenbruch der Donaumonarchie blieben die Gründe um die Kirche jedoch noch jahrzehntelang unverbaut.
Heftige Streitigkeiten zwischen dem damaligen Pfarrer Carl Ryba und dem Kirchenbauverein begleiteten die Bemühungen um die Kirchenerrichtung. Der Pfarrer, der laut Berichten „in krankhafter Weise sowohl an mangelndem Einschätzungsvermögen der Wirklichkeit als auch an maßloser Selbstüberschätzung“ gelitten haben soll, forderte die Errichtung eines monumentalen „Frauenmünsters“, das durch Spenden aller Wiener Frauen errichtet werden sollte. Als das erzbischöfliche Ordinariat diesen fantastischen Plan ablehnte, vermutete der Pfarrer dahinter eine Intrige des Kirchenbauvereins: er trat aus dem Verein aus und beschuldigte ihn in Flugblättern und auch von der Kanzel herab, seine Pläne vereitelt zu haben. Der Kirchenbauverein widerlegte ebenfalls in Flugblättern alle „Halluzinationen des Herrn Pfarrkuraten“, und nachdem vorerst vergeblich ein Kompromiss gesucht worden war, wurde das Bauprojekt schließlich unter weitgehender Umgehung des Pfarrers in Angriff genommen.
Der in Hetzendorf lebende Architekt Hubert Gangl, ein Schüler von Viktor Luntz, dem Erbauer der Jubiläumskirche im 2. Bezirk, bot sich an, kostenlos Pläne für die neue Kirche samt Innenausstattung sowie für ein anschließendes Pfarrhaus zu erstellen. Die Grundsteinlegung erfolgte im Jahr 1908, und schon ein Jahr später wurde die Kirche geweiht.
Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wurden malerisch gestaltete Kirchenbauten äußerst populär, und die Hetzendorfer Kirche ist hierfür ein eindrucksvolles Beispiel: Der Gebäudekomplex ist architektonisch vielfältig gegliedert und erhielt damit die geschätzte „reiche Silhouettierung“, und der seitlich am Langhaus angesetzte Turm verleiht dem Gebäude malerische Asymmetrie. Die stilistische Gestaltung beruht einerseits auf neoromanischem Formenvokabular, verweist andererseits aber auch deutlich auf den zunehmend beliebten „Heimatstil“. Dies zeigt sich etwa beim abgewalmten Dach an der Fassade oder auch beim Einsatz der grob behauenen Sandsteinquader und bei der Säulchengalerie im Giebelbereich - architektonische Elemente, die einzig ein malerisches Erscheinungsbild bewirken sollten und funktional nicht begründbar sind und teilweise wie die Vorwegnahme der Postmoderne anmuten. Diese „Lügen in der Baukunst“ – ein vielfach erhobener Vorwurf Otto Wagners – kulminiert in der Ausführung des Vierungsturmes, der lediglich aus einem verputzten Holzaufsatz besteht. Aber auch die Gestaltung des Chorumganges zeigt diese Tendenz: Er ist zum Hauptraum hin abgemauert und dient – als Gang ohne plausible Funktion – wiederum allein der malerischen Bereicherung des Außenbaus.
Gangl legte seiner Planung das Schema eines traditionellen Langhausbaus zugrunde, mit der Verbreiterung des Mittelschiffs berücksichtigt er jedoch die neue Forderung nach einer guten Sicht zum Altar für alle Gläubigen.
Das Kircheninnere war ursprünglich mit Wandmalereien und reichem Dekor aus Betonguss versehen. Nach schweren Kriegsschäden 1944 wurde der Außenbau nahezu originalgetreu wiederhergestellt, die Renovierung des Innenraums hingegen wurde neuerlich Anlass für jahrelange Zwistigkeiten. Von vielen Hetzendorfern unterstützt, verlangte die Familie des verstorbenen Architekten eine getreue Wiederherstellung und lehnte jeglichen modernen Eingriff ab – und wiederum wurden von Gleichgesinnten kämpferische Flugblätter verteilt. Schließlich wurde 1957 in einem Architektengutachten festgestellt, dass der Kirchenraum nicht mehr dem modernen ästhetischen Geschmack entspreche, da die vielen ornamentalen Architekturdetails die einfache Raumkonzeption verdeckten und dadurch als störend empfunden würden. Nach den Plänen von Johann Gsteu und Friedrich Achleitner wurden daraufhin sämtlicher noch vorhandener Dekor und die Wandmalereien entfernt und somit tatsächlich die reine Konstruktionsform des Raumes entscheidend zur Wirkung gebracht. In die moderne Neugestaltung wurde auch ein Hauptvertreter des Wiener Phantastischen Realismus mit einbezogen: Ernst Fuchs schuf das heutige Hauptaltarbild, ein auf Ziegenhäuten gemaltes Tryptichon mit dem Titel „Die Geheimnisse des hl. Rosenkranzes“. 1979 wurde es bei einem Messerattentat eines psychisch Erkrankten schwer beschädigt und die Restaurierung dauerte beinahe 20 Jahre.
Die Modernisierungsmaßnahmen stießen bei der Bevölkerung weitgehend auf Ablehnung, da nun das „Heimelige“ vermisst und die Kirche als zu „kalt und nüchtern“ empfunden wurde. In der Fachwelt fand die Umgestaltung hingegen breite Zustimmung. Die Architekturästhetik der 50er Jahre verlangte nach einer puristischen Gestaltungsweise, die allein funktionale Kriterien zu berücksichtigen hatte. Folgerichtig wurde der Baustil des 19. Jahrhunderts als „künstlerisch wertlos, überladen und häufig nur kitschig“ verurteilt und die Entfernung der „aufgepickten Zierrat-Attrappen“ zur Betonung der „struktur-funktionellen Elemente“ des Kirchenraumes begrüßt. (Jörg Lampe) Ungeachtet des historistischen Erscheinungsbildes wurde in Folge die Kirche als eine der modernsten Wiens gerühmt.