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Aktuelle Seite: Blumau-Neurißhof-Hl. Josef
NÖS-28
Bez. Baden

Veranstaltungs- und Ausspeisungsgebäude

1917

Umbau zu Kirche

Karl Eder

1935

Die Einführung des Repetiergewehres in der k.u.k. Armee Anfang der 1880er Jahre erzwang eine Qualitätssteigerung des für die Patronen verwendeten Pulvers. Im Jahre 1890 erwarb daher das Reichskriegsministerium das Gut Blumau-Neurißhof und ließ die „k.u.k. Pulverfabrik Blumau“ errichten. Sie umfasste vorerst mit Fabrikshallen, Wohn- und Verwaltungsgebäuden 36 Bauten. Bereits 1897 erfolgte mit dem Bau einer Dynamitfabrik sowie einer Salpetersäurefabrik eine erste Erweiterung. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte zu einem neuerlichen Ausbau des Unternehmens.

Zur Verpflegung der rund 30.000 Beschäftigten wurde 1917 im Zentrum des Ortes ein Gebäude errichtet, in dem der „Arbeiterkonsum“ sowie ein groß dimensionierter Veranstaltungs- und Ausspeisungsraum mit Küche untergebracht waren. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Pulvererzeugung stark reduziert und nur mehr mit wenigen Arbeitern fortgesetzt.

Im Zuge der Errichtung der Fabrik war 1898 auf Anordnung des Kriegsministeriums am Rande des Ortes auch eine Kirche errichtet worden (siehe Pfarrkirche Hl. Barbara). Die seelsorgliche Betreuung erfolgte ab 1926 vom Orden der Kalasantiner. Allerdings führte „die scharfe Trennung zwischen sozialistischem Gedankengut einerseits und Katholizismus andererseits speziell in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer Isolierung der Kirche innerhalb einer sozialistisch ausgerichteten Bevölkerung.“ (Pater Michael). In der Hoffnung, im Ortszentrum von Blumau auf größeren Zuspruch zu stoßen, beschloss daher der Orden im Jahr 1935, den nicht mehr benötigt Ausspeisungstrakt des 1917 errichteten Gebäudes zu kaufen und in den Räumen eine Filialkirche einzurichten. Mit der Ausführung wurde der Architekt Karl Eder beauftragt, der im gleichen Jahr die Einsegnungskapelle am Friedhof der Namenlosen in Wien errichtete.

Der rechteckige ehemalige Ausspeisungssaal mit einer auf Betonpfeilern ruhenden, rundum laufenden Galerie erstreckt sich über die gesamte Breite des Gebäudes. An der Längswand bewirkten fünf große Thermenfenster im Erdgeschoss und Rechteckfenster im Galeriebereich einen hellen, freundlichen Innenraum. Um einen Altar einzurichten, verschloss Eder das mittlere Fenster der Längswand und schuf mit einer in den Raum vorgerückten Pfeilerkonstruktion eine quasi nach innen gezogener Apsis als Nische für den Altartisch. Die scheinbar nie fertig gestellte Galerie wurde mit Glasscheiben zum Hauptraum verschlossen.

Eine dem letzten Abendmahl von Leonardo da Vinci nachempfundene Kopie als Altarbild, ein geschnitzter Seitenaltar sowie Rechteckbilder in der Kassettendecke wurden offensichtlich von lokalen Künstlern ausgeführt.

Das monumentale, gelb verputzte Gebäude ist mittels Heimatstilelementen dem Ortsbild angepasst und die breite Fassade durch weiße Lisenen strukturiert. Lediglich ein großes, als Putzrelief gebildetes, ebenfalls weiß gefärbeltes Kreuz an der Stelle des zugemauerten Fensters sowie ein kleines Glockentürchen am hohen Walmdach verweisen auf den sakralen Verwendungszweck. Sowohl im Äußeren als auch im Inneren stellt dieser Sakralbau deshalb eine Besonderheit dar, wobei der architektonische Reiz gerade aus der außergewöhnlichen Symbiose von profaner Grundstruktur und sakraler Weiterentwicklung herrührt.

20. Jhd.