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Aktuelle Seite: Baden-Leesdorf
NÖS-17
Stadt Baden

Stefan Bukovac

1985-1987

1932 wurde in Leesdorf, einem Stadtteil von Baden, eine Notkirche errichtet. Nachdem sie von den Nationalsozialisten 1938 beschlagnahmt worden war, konnte nach dem Krieg nur in einer gemauerten Scheune ein Ersatz gefunden werden. Anlässlich einer kanonischen Visitation 1959 wurde die Unzulänglichkeit dieser Notlösung festgestellt und die Erzdiözese Wien erteilte den Auftrag zur Errichtung eines Seelsorgezentrums.

Seit den 1930 Jahren wurden liturgische Erneuerungsbestrebungen wirksam, die darauf hinzielten, die hierarchische Trennung zwischen dem Klerus und den Gläubigen aufzuheben und das Gemeinschaftsleben der Gläubigen zu stärken. (mehr hier) Vermehrt wurden nun Saalräume konzipiert, die auch für nicht liturgische Zwecke genutzt werden konnten. Seit den 1970er Jahren zeigt sich der Trend, Seelsorgezentren zu errichten, die die Möglichkeit boten, Raumgruppen für Mehrfachnutzungen anzubieten. Diesem Konzept folgte auch das Seelsorgezentrum in Leesdorf.

Nach langer Suche nach einem genügend großen Grundstück wurde 1980 ein Wettbewerb ausgeschrieben, den Stephan Bukovac gewann, mit dem Bau wurde aber erst 1985 begonnen. Der Architekt plante die Kirche als Viertelkreissegment, bei dem er an einem Schenkel einen rechteckigen, zweistöckigen Baukörper anfügte. Unmittelbar an die Kirche anschließend liegen die Werktagskapelle und weiter ein großer Saal. Diese drei Räume können für große Veranstaltungen miteinander verbunden werden. Rund um den Saalraum ordnete Bukovac als „Pfarrhaus“ zwei Wohnungen sowie ein Pfarrcafe und diverse Nebenräume an.

Der gesamte Gebäudekomplex ist mit einer Segmentbogentonne mit erhöhtem Mittelteil überdacht, beim Kirchenraum sorgt unmittelbar unter dem Dach ein Fensterband für einen hellen, freundlichen Innenraum.

Wenn auch die Architekten Beton als vielseitig einsetz- und formbares Baumaterial sehr schätzten, so wurde für die Innengestaltung zumeist Holz gewählt, um eine stimmige Atmosphäre hervorzurufen. Auch Bukovac hat zu diesem Gestaltungsmittel gegriffen. Außergewöhnlich ist, dass er den offenen, mit Leimbindern ausgefachten Dachstuhl in hölzerne Säulenpaare übergehen lässt, die im Bogenbereich der Kirche den Raum akzentuieren.

Der Architekt hat ursprünglich keinen Glockenturm geplant und sein Projekt erhielt als hervorragendes Beispiel für eine Kirche ohne Turm den Österreichischen Bauherrenpreis 1989. Eine alte Geschichte verhalf der Kirche aber dann doch zu einem Glockenturm: Im Jahr 1698 hielt sich der protestantische Kurfürst August von Sachsen in Baden auf und trat heimlich zum Katholizismus über (eine Grundvoraussetzung, um König von Polen zu werden.) Als Dank für seine Bekehrung versprach er der Stadt Baden eine Glocke, hat aber sein Versprechen nie eingehalten. Rund 300 Jahre später erfuhr eine polnische Stiftung von dieser Geschichte und ließ daraufhin 1992 in Polen eine Glocke gießen. Sie wurde dem Seelsorgezentrum übergeben, das sich infolgedessen veranlasst sah, einen Turm zu errichten. Auf einem quadratischen, freistehenden Betonturm wurde ein gläserner Zylinder aufgesetzt, in dem sich nun, gemeinsam mit drei weiteren Glocken, das verspätete Geschenk befindet.

20. Jhd.