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Aktuelle Seite: 19., Silbergasse Karmeliterkirche
19.17
19. Bezirk - Döbling

Richard Jordan

1899-1901

Der Karmeliterorden wurde im 12. Jahrhundert von einem französischen Teilnehmer am 2. Kreuzzug in Palästina gegründet, und schon wenig später entstand in ganz Europa eine Reihe von Niederlassungen. Im 15. Jahrhundert erfolgte die Gründung des Frauenordens, den Karmelitinnen. Unter der Federführung von Johannes vom Kreuz und Theresa von Avila (Theresa von Jesus) wurde im 16. Jahrhundert der Zweigorden „Unbeschuhte Karmeliten“ neu begründet und 1622 in der Leopoldstadt bei Wien (heute 2. Bezirk) eine Niederlassung errichtet.

Unter Josef II wurde 1783 der Orden – wie so viele andere auch – aufgehoben, die Kirche und das Kloster blieben jedoch als Pfarre bis 1838 weiter bestehen. Dann wurde das Kloster „provisorisch“ – nämlich bis zur geforderten Erneuerung des Ordens - aufgelöst und die Pfarre wurde von der Diözese betreut. Das Klostergebäude gelangte in den Besitz der Stadt Wien. Nachdem sich der Orden 1882 neu konstituiert hatte, erhielt er als Abfindung für das Klostergebäude eine größere Summe aus dem Religionsfonds, mit der die Karmeliten in Döbling einen Baugrund erwarben und einen Neubau der Niederlassung beginnen konnten. Das bestehende Klostergebäude im 2. Bezirk wurde 1904 abgerissen, die Kirche blieb als Pfarrkirche erhalten.

Mit dem Neubau der umfangreichen Klosteranlage wurde 1898 Richard Jordan beauftragt. Der Architekt war ein ehemaliger Schüler von Friedrich Schmidt und galt als Spezialist für Kirchenbauten, insbesondre auch im Zusammenhang mit Klostererrichtungen.

Jordan plante die Anlage als Sichtziegelbau mit romanisierenden Stilzitaten, wie Rundbogenfenstern und Friesbändern. Der für eine Klosterkirche bemerkenswert monumentale Bau ist als Basilika mit zwei 56m hohen Türmen, 6 Seitenkapellen, einem Querhaus und einem runden Chorabschluss konstruiert.

Das Kircheninnere zeigt mit den Rundbogenarkaden, den massiven Pfeilern, den Würfelkapitellen und den Bandrippengewölben ebenfalls die Stilmerkmale der Romanik. Der damals hoch geschätzte „erhabene“ Raumeindruck entsteht einerseits durch die ungewöhnlich kostbare und kostspielige Ausgestaltung. Andererseits wird die beeindruckende Raumwirkung auch durch die deutliche Verbreiterung des Mittelschiffes hervorgerufen, die den Gläubigen eine bessere Sicht zum Altar ermöglichen sollten. Eine funktionale Veränderung des tradierten Kirchenbautopos weist auch der mächtige Rundchor auf, der im Kircheninneren mit einer geraden Altarwand vom Hauptraum getrennt, die Funktion einer Sakristei erhalten hatte. Heute ist in dem Raum die Wochentagskapelle untergebracht.

Die Kirche wurde 1901 geweiht, die Innenausstattung wurde jedoch erst im Laufe der folgenden 30 Jahre fertiggestellt

Die Wände sind mit Schablonenmalereien überzogen und mit Fresken von Josef Kastner jun. im Nazarenerstil reich geschmückt. Byzantinisch beeinflusste Goldmosaike als Hintergrund der dargestellten Figuren und Szenen verstärken die außergewöhnliche Prachtentfaltung. Der Hauptaltar ist aus Marmor und zeigt eine phantasievolle, eigenwillige Interpretation eines romanischen Altars.

Der für die Karmeliter bedeutendste Seitenaltar ist der Gnadenaltar „Maria mit dem geneigten Haupt“ (1904). Das aus dem 15. oder 16. Jahrhundert stammende Bild soll im 17. Jahrhundert von dem Karmelitermönch Pater Dominicus in einem verfallenen Haus in Rom gefunden worden sein. Als er es vom Staub befreite, soll Maria gelächelt und das Haupt dankbar zur Seite geneigt haben. Das Bild wurde dem Kloster in der Leopoldstadt übergeben und von den Karmeliten, insbesondere auch von den Habsburgern hoch verehrt. Nach der Fertigstellung der neuen Kirche  fand es seine Aufstellung in dem von Richard Jordan entworfenen Gnadenaltar.  Die plastische Krone wurde erst 1931 auf Anordnung von Papst Pius XI. in das Gemälde eingefügt. Bei einem Aufenthalt in Wien verstorben, wurde Pater Dominicus in der Karmeliterkirche im 2. Bezirk beigesetzt. Seine Gebeine wurden in die neu errichtete Kirche übertragen, wo ihm in einem kryptaartig gestalteten Querschiffarm ein Grabmal errichtet wurde.

Kunsthistorisch interessant ist der „Johannes vom Kreuz-Altar“, der von dem Insektenpulver-Fabrikanten und bedeutenden Kunstmäzen Johannes Evangelist Zacherl im Andenken an seinen Vater Johannes vom Kreuz Zacherl gestiftet, 1914 von Josef Plecnik entworfen und von Jan Verkade im Stil der Beuroner Kunstschule ausgestaltet wurde.

Der gegenüberliegende „Theresien-Altar“ wurde ebenfalls von Zacherl gestiftet und von den gleichen Künstlern geplant bzw. ausgestaltet. Aus finanziellen Gründen wurde er jedoch erst 1924 ausgeführt.

Bemerkenswert ist auch das 5 Meter hohe Holzkreuz mit der expressiv gestalteten Christusfigur. Es wurde 1920 im Auftrag des Ministeriums für öffentliche Arbeiten von dem Tiroler Bildhauer Josef Pfaffenbichler auf Staatskosten geschnitzt.

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Historismus