1030 Landstraßer Hauptstraße 137
1904-1906
1866 wurde in Paris der Orden der Dienerinnen des heiligsten Herzen Jesu gegründet. Während des Deutsch-Französischen Krieges (1870-71) lernte ein Wiener Stabsarzt die Schwestern als verlässliche Krankenpflegerinnen kennen und brachte einige von ihnen als Pflegerinnen in das Wiener Rudolfsspital. Die steigende Anzahl der Schwestern bewog den Orden, im 3. Bezirk in der Kleinergasse 1890 ein eigenes Kloster und Spital zu errichten. Das schlichte, aus Sichtziegel errichtete Gebäude wurde später mehrmals durch Zubauten erweitert.
1906 wurde der Schmidtschüler Gustav Neumann, der bereits die Canisiuskirche im 9. Bezirk errichtet hatte, beauftragt, den Klostertrakt zu vergrößern und eine Ordenskirche zu erbauen. Neumann plante einen Eckbau, der direkt an das bestehende Gebäude anschloss und in der Landstraßer Hauptstraße als breit gelagerter Sichtziegelbau mit runden Eckrisaliten und der mittig angeordneten Kirche eine repräsentative Schauseite entwickelt. Vorerst sollte allerdings nur der linke Gebäudeteil errichtet werden.
Es war üblich, Ordenskirchen, die als „Kirchen 2. Ranges“ bezeichnet wurden, im zwar weniger als den gotischen Stil geschätzten, aber billiger herstellbaren neoromanischen Stil auszuführen. Auch Neumann griff diesen Stil auf, hat aber nichtsdestotrotz einen wirkungsvollen Kirchenbau geschaffen. Die Fassade ist mit typisch romanischen Elementen, wie gekuppelten Fenstern mit Blendbögen, Rundbogenfriesen, einem Radfenster und einem Ädikulavorbau beim Mittelportal reich gegliedert. Dem imposanten, hoch aufragenden Turm diente zweifelsfrei die viel bewunderte romanische Martinskirche in Köln als Vorbild.
Wie schon bei der Canisiuskirche hat Neumann auch bei der Herz Jesu Kirche den aus billigen Ziegelmaterial hergestellten Baukörper durch die Verkleidung mit Kunststeinplatten „veredelt“. Aus Kostengründen erfolgte diese Maßnahme allerdings nur an der Straßenfassade, die er durch das Einbeziehen der schmalen Seitenrisalite optisch verbreiterte und damit insgesamt jene Monumentalität erzielte, die damals selbst bei Ordenskirchen erwartet wurde.
Das in den Klostergarten hineinragende Langhaus ist als dreischiffige Basilika mit einem Querhaus und einem polygonalen Chor mit Chorumgang ausgeführt. Rundbogenfester und Rundbogenfriese verweisen auf die Stilzugehörigkeit. In den weiß verputzen Fassaden täuschen eingekerbte Fugen einen Steinbau vor. Über den Seitenschiffen befinden sich die Schwesternoratorien, die direkt vom Klostergebäude aus zugänglich sind.
Ein Chorumgang galt im Prinzip als „Kathedralmotiv“ für weniger hoch rangige Kirchen als unangemessen. Erstmalig setzte sich Friedrich Schmidt über diese gestalterische Einengung hinweg und die meisten seiner Schüler folgten ihrem Lehrer. Allerdings wurden die Chorumgänge in der Regel im Inneren zum Chor hin abgemauert und dienten vor allem dem Zweck, dem Außenbau eine imposante, repräsentative, aber auch malerische Wirkung zu verleihen.
Auch Neumann orientierte sich mit der Planung eines Chorumganges an seinem Lehrer. Da in der ersten Bauphase der Klostergarten in der Rabengasse durch eine Mauer abgeschlossen wurde, hat er jedoch nur den von außen sichtbaren Chor mit romanischen Elementen gegliedert. Den durch die Klostermauer verdeckten Chorumgang hat er hingegen so schlicht gestaltet, dass der Anbau wie ein nicht dazugehörender Fremdkörper anmutet. Als Verbindungsgang zwischen den neben dem Chor angefügten Sakristeianbauten überflüssig, erfüllt er am Außenbau auch nicht die neue Funktion als malerisches Gestaltungselement.
Das Kircheninnere wurde erst 1922-25 mit reicher Schablonenmalerei und figürlichen Darstellungen von Franz Zimmermann im Genre der Nazarenermalerei hergestellt.
Das Schul- und Schwesternheim an der rechten Seite der Kirche wurde 1930-31 von Felix Angelo Pollak erbaut. Ohne gestalterisch auf das bestehende Klostergebäude einzugehen, schuf er einen sachlichen, expressiv gestaffelten, monumentalen Gebäudekomplex. In den denkmalgeschützten Theater- und Vortragssaal zog nach dem Zweiten Weltkrieg das bekannte Eos-Kino ein, das allerdings 2014 geschlossen wurde.
2011 wurde in einer spektakulären Nacht-Anlieferung eine in Deutschland gefertigte, rund 70 Tonnen schwere OP-Raumzelle nach Wien gebracht und am bestehenden Krankenhaus in der Rabengasse im 2. Stock als „schwebender OP-Saal“ angebunden.